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Tinariwen - Idrache (Traces Of The Past) |
CD und LP
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24er, unveröffentlichte meist ältere Aufnahmen (ich nehme an, bis
zu 20 Jahre), 4 Songs gab es nie zu hören (2 davon gehören zu den Besten hier), die anderen 8 sind Demos etc., die Hälfte laufen über 5 Minuten, jeweils mehrere stammen von Amassakoul (2004) und Aman Iman (2007). Ziemlich viele erklingen in ihrem typischen Stil (mitsamt ebensolchem Groove, teils hypnotisch), mit (2) E-Gitarren und Percussion sowie (vorwiegend weiblichen) Backing/Call-Response-Vocals, manche ausgesprochen akzentuiert gespielt, andere beinahe catchy, zweimal die Backing Vocals stärker hervorstechend/weiter nach vorne gemischt als gewohnt (u.a. im langsamsten Track, dort bekommen sie als kleiner Chor Freiraum, die zentrale Melodie punktuell zu variieren, mit exquisitem Ergebnis). Daneben gibt´s mehrere (mindestens weitgehend) akustische Nummern (mit 2 Gitarren oder 3), ob runtergedimmt, lyrisch und kristallklar im relaxten Fluss, etwas dunkler, nackt und eindringlich bis fast kontemplativ, oder besonders stark reduziert, aber gitarristisch brillant. Und 3 Stücke, die aus dem Rahmen fallen, 2 davon sehr lang: Spannungsgeladener als üblich, zugleich ruhiger resp. zurückhaltender, z.T. mit einer Art Drones im Hintergrund versehen, atmosphärisch absolut klasse. Atypischer Gesang (wechselnd zwischen rasend schnell, was ein bisschen Richtung Raps geht, aber anders, sowie zwar nur kurzzeitig eingestreuten aber lang gedehnten Phrasierungen), ultra-repetitiv inklusive riffender Gitarre. Und schließlich der Grund, weshalb ich dieses Album unbedingt brauche: „Alkhar Dessouf“, das über eine sehr spezielle tolle Polyrhythmik verfügt, woraus sich ein unaufhaltsamer/bezwingender dabei aber relativ unaufdringlicher Groove/Drive ergibt, in grandioser auf ureigene Art psychedelischer Atmosphäre, eine beständig eingesetzte Flöte übt einen besonderen und nachhaltigen Reiz aus, der Lead-Gesang wirkt etwas zurückgenommen – fantastisches Stück, ganz erheblich besser als die Originalversion damals (was im Übrigen nicht nur hier der Fall ist). Bei recht vielen Stücken fällt übrigens die ausgezeichnete gern recht filigrane Gitarrenarbeit auf, egal ob akustisch oder elektrisch. Dicke Empfehlung! |
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Michael Kiwanuka - Small Changes |
CD und LP
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24er. Erst sein 4. Album in 12 Jahren, und es hat sich etwas
gegenüber den letzten Platten geändert: Die Tendenz geht zu mehr Zurückhaltung, mehr Klarheit und Transparenz in den Arrangements (obwohl wie gewohnt Danger Mouse und Inflo produzierten), gleichzeitig weniger Drama (und irgendwie eine gesteigerte „Innerlichkeit“). Und die meisten Stücke sind rhythmisch klar differenzierter, flexibler gestaltet. Gelegentliche Erinnerungen an Marvin Gaye oder Bill Withers tauchen auch hier auf, aber nicht wirklich oft (oder massiv), der offenkundige Einfluss der 70er bleibt nie dort stehen, wirkt stets zeitlos oder aktualisiert, das ihm zugeschriebene „Soul-Folk“-Label trifft es nie pur, manchmal eigentlich gar nicht. Dafür wurden, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, so etwas wie Soft Pop-Anleihen verstärkt (ohne zu verwässern). Die schon angesprochene Rhythmik greift auf schön federnde Drums und einen überaus wirkungsvollen Bass (Pino Palladino) zurück, die Streicher treten quasi in Wellen auf, meist sehr punktuell respektive zurückhaltend, hier und da erhält die E-Gitarre Gelegenheit zu kurzen absolut exquisiten Features, die einen leicht psychedelischen Touch ausstrahlen (und beim zweiten, instrumentalen Teil von „Lowdown“ eindeutig an David Gilmour gemahnen). Mehrfach entwickelt sich ein ausgesprochen angenehmer relaxter leichtfüßiger dezent groovender Flow, in einem Fall mit einem Hauch Jazzfeeling versehen, ein paar Mal ausnehmend unaufdringlich funky (ein wenig zumindest). Vor allem aber überzeugt das Werk durch die hohe Songwriting-Qualität! |
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Sussan Deyhim / Richard Horowitz - The Invisible Raod |
CD und LP
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24er Release, unveröffentlichte Aufnahmen der iranischstämmigen
bestechenden Sängerin mit dem fein- und freisinnigen US-Komponisten. Von den Original-Bändern, auf audiophilem Vinyl laut Info, inklusive 12-Seiten-Booklet. Wie schon andere Platten von ihnen wirkt die Musik heute noch innovativ-zeitgenössisch und ziemlich einzigartig, immer wieder gewürzt von absolut faszinierenden Phasen. Ihre Vocals sind großteils mehrstimmig gehalten, übereinander, nebeneinander gesetzt, auf mirakulöse Weise zusammenfindend. Es beginnt mit einem kurzen repetitiven a-capella-Stück, Traditionsverwertung auf experimentelle (und tolle) Weise. Anschließend sind für längere Zeit Ethno-Merkmale nur in ihrem Gesang auszumachen, wenn überhaupt, und nie dominant. Stattdessen: Abenteuerlicher Avantgarde-Pop mit einer ziemlich rudimentären elektronischen Begleitung ihrer diffizilen wagemutigen abgefahrenen bis repetitiven Vokalschichten. Verfremdete Stimmen (wie gewohnt mehrschichtig) treffen auf rhythmuslose ein bisschen im Raum schwebende lichte recht sparsame Elektroniksounds. Typisch nach Ostküste der 80er klingender außergewöhnlicher dezent innovativer Edel-Pop außerhalb gängiger Muster, der mich entfernt an die abenteuerlichsten Sachen von Peter Gabriel der damaligen Zeit und vielleicht noch an Laurie Anderson erinnert, der Gesang vollständig im (ziemlich elektronischen) Klangbett integriert, samt intelligentem Groove. Repetitive rhythmisch geprägte Synthies plus eher songhafter „normaler“ Gesang ergibt Art Pop spezieller Sorte. Eine Prise 80s-Electro- Wave inklusive zum Beispiel Parallelen zu Yello, vom Gesang mal abgesehen. Die verschiedenen Vokalspuren (im Hintergrund gehalten) verschmelzen mit Synth-Flächen, eine rhythmische Grundierung findet sich nur „davor“, in Form eines dunklen Motivs. Erst dann, in der 2. Hälfte des Albums, kommen wieder World Music-Einflüsse dazu, bei gleichzeitiger Reduzierung der elektronischen Texturen: Stark modifizierte arabisch-orientalische Einfärbung, Flöte und Bass besetzen eine wichtige Rolle, das (polyrhythmische) Ergebnis ist komplett eigenständig und besonders. Geheimnisvoll wirkender akustisch-elektrischer Ethno- Tribal-Pop, die Vocals super vernetzt. Undefinierbare World Music, gespeist aus verschiedenen Ecken Asiens, ein wenig auch Südosteuropa, dazu ein sehr buntes repetitives Percussiongeflecht, umherstreifende lautmalerische erhebende Gesänge, später eine klasse ständig wiederholte Melodie. Sowohl gesanglich als auch instrumental (Saiten) iranische Traditionen, die Saiten in Form von Loops, ansonsten wunderbar dunkel-atmosphärisch, rhythmisch zwischen den Stühlen. Schließlich eine (Synth-) Bass-Grundierung in luftiger Umgebung, unbestimmte faszinierende mäandernde World-Vokal-Schichten, schillernde/hell glitzernde punktuelle SYnth-Tupfer. Mit oben erwähntem Peter Gabriel arbeitete sie übrigens auch zusammen, neben u.a. Ornette Coleman(!), Jerry Garcia (!), Branford Marsalis, Joe Jackson, Brian Eno, Bill Laswell sowieso öfters. Sehr spezielle aber nachdrückliche Empfehlung! |
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Bill Callahan / Smog - The Holy Grail |
CD und LP
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24er Release. Eine unveröffentlichte Peel Session von 2001, die
angenehm angerauht, organisch und „natürlich“ wirkt, instrumentiert von akustischer und elektrischer Gitarre, Geige und Drums. 3 Stücke zwischen 5 und 7 Minuten, ein kurzes, insgesamt etwas über 20, Vinyl only. Im Einzelnen: Beautiful Child ist ein Cover von Fleetwood Macs Tusk, soweit ich weiß, gibt es keine offiziell herausgekommene Smog-Fassung. Zunächst völlig in sich ruhend, zeitlupenhaft langsam, reduziert, dann immer voller im Sound, offensiver, eine fast epische klasse Interpretation. Cold Discovery stammt von Smogs Dongs Of Sevotion, hier agieren sie ganz schön hart, zunehmend, und intensiv in der Instrumentierung, man könnte schon sagen, aggressiv, immens rockig, in der Machart ein kleines bisschen an die härtesten Velvet Underground erinnernd. Viel roher als die Studioversion, für mich auch erheblich besser! Was auf Dirty Pants (von Rain On Lens) ebenfalls zutrifft. Stoisch in langsam einerseits, beständig wiederkehrend sowohl eine Begleitfigur als auch die einfache Gesangsmelodie, dazwischen, gleichfalls mit großer Regelmäßigkeit und ebensolcher Wirkung, heulen die Geige und vor allem die E-Gitarre (geradezu exzessiv manchmal, inklusive Effekten) auf, so simpel wie extrem effektiv! Hypnotisch! Kurzzeitig wird´s roh, harsch, beinahe brutal. Jesus, der kurze Track, stammt tatsächlich von Velvet Underground, klingt hier aber nicht unbedingt so. Gleichmäßig und relaxt gespielt, nicht weltbewegend. Klare Empfehlung! |
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Warren Haynes - Million Voices Whisper |
CD und LP
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24er. Ein rar gesätes Solowerk vom (unter anderem) Gov´t
Mule-Leader. Natürlich werden zuweilen die Allman Brothers belehnt, bei denen er ja lange spielte, u.a. auch in einer (nicht vollständig) old-fashioned R´n´B-Ballade im Stil der frühen 70er. Insgesamt fallen der nicht geringe Soul-Anteil in diversen Tracks auf, der insgesamt doch relativ (!) songorientierte Charakter vieler Stücke (was damit einhergeht, dass wirklich ausgiebige/ausufernde Jams/Soli recht selten auftreten – dennoch werden reichlich vorzügliche Gitarrenfeatures geboten, bei denen Derek Trucks teilweise eine gehörige Rolle spielt), die ziemlich starke Betonung (und die Qualität!) des Gesangs, oft zudem die wirklich sehr schöne (omnipräsente) Orgel (John Medeski), teils von (E-) Piano ergänzt. Es gibt funkige Nummern (lupenreiner und enorm ansteckender Funk Rock mit feinem atmosphärisch-federndem Zwischenteil, ein bischen Neville Brothers; oder eher leichtfüßig groovend), R´n´B in Rock in angenehmem Groove, eine kleine Prise Little Feat in Kombination mit Soul- und ein wenig gar „modernerem“ Pop-Input (sowie brillanter Slide!), 2 Balladen belehnen die späteren 70er (keine Allmans-Spuren, aber Soul), sporadisch tauchen wenigstens ansatzweise „aktueller“ (und besonders rockig, knackig) klingende Sounds auf, ebenso wie verstärkte Allman-Bros.- Tendenzen in z.B fast tänzelnd, der längste Track (2 laufen über 8 Minuten, einige weitere über 6) glänzt natürlich mittels weiteren großartigen Gitarren-Duetten. Southern-Flair allüberall, ist klar. Deluxe-CD mit 4 Bonustracks. |
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Eric Bibb - In The Real World |
CD und LP
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24er. Die Grundzüge sind dieselben wie (fast) immer, ob Stimme,
Stilistik oder die feinfühlige Art seiner Musik. Der Titel bezieht sich auf den Aufnahmeort (Peter Gabriels Studio). Die Qualität der Musiker/ihr Spiel ist vorzüglich (gern fein gesponnene Geflechte, stets absolut musikdienlich, höchst organisch). Die Roots (und es ist natürlich pure Roots-Musik) stammen wieder vor allem aus dem Blues (R´n´B), mit dem höchsten Anteil, Folk und Gospel (was z.B. an den Backing/Harmony/Chor-Vocals liegt), es gibt zudem (geringe) Spuren von old-timey/Country, World/Afrika, einmal eine Art Roots Pop, unter der Oberfläche auch Soul. Wobei abgesehen von einem sehr reduzierten Folk-Song nur der Blues in purer Form vorkommt (bis hin zu recht starker Orientierung an den 30ern bis 50ern, am liebsten freilich ausgesprochen zeitlos wirkend). Über weite Strecken jedoch tut er das, was er so unnachahmlich zu einer Art Markenzeichen entwickelt hat, die Kombination/Verschmelzung diverser Stile, was bei ihm immer total selbstverständlich anmutet, nahtlos, ganz „natürlich“. Americana halt. Ebenso „natürlich“ klingen die ziemlich gern verwendeten Grooves, nie aufdringlich/tendenziell dezent, höchst angenehm. Was auf seine Stimme ebenfalls mehr oder weniger zutrifft, herrlich einfühlsam, grundsympathisch, einfach richtig schön. Die Gangart der Stücke variiert von luftig und entspannt, vorwärtstreibend unter leichter Spannung, etwas handfester im konstanten Fluss, moderatem Drive, nachdenklich und Atmosphäre schaffend, kurz gar beinahe ein bisschen feierlich, agil und lebhaft tanzend, eine Spur angerockt. Beständig paart er akustisches mit elektrischem Spiel (wobei die E-Gitarren oft bestechen, auf so delikate wie ökonomische Weise, gespielt v.a. von Robbie McIntosh, ehemals bei Paul McCartney und den Pretenders; filigran, feinfühlig, malend, mehrfach eine klasse Slide, punktierend, verzierend…), es gibt eine Menge bunte instrumentale Farbtupfer, die Musik wirkt wie aus einem Guss. Sehr zu empfehlen, wie so oft! |
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Laura Marling - Patterns In Repeat |
CD und LP
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24. Sicherlich ihr bislang intimstes, in weiten Teilen sanftestes
Album (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt), warmherzig und gefühlvoll. Beherrschendes Thema: Ihre Mutter- Rolle. Feinziselierter behutsamer und edel arrangierter Songwriter-Folk (ohne besondere Traditionalismen), bisweilen gar beinahe sakral wirkend, reduziert bis dezent orchestriert – die Basis bilden Akustikgitarre und eine kleine Streichergruppe, die zwar in allen Stücken dabei, aber nicht permanent präsent ist, sondern teilweise erst etwas später eingesetzt wird, respektive punktuell, und in unterschiedlichen Zusammensetzungen, heißt, auch mal nur ein oder zwei Stimmen. No Drums! In Ausnahmefällen ergänzen Piano, Bläser, Mellotron, mehrfach tauchen, wenngleich relativ bis sehr zurückhaltend, fast engelsgleiche Backing Vocals auf (u.a. von Buck Meek von Big Thief). Ruhig und gelassen bis ganz zart wirkt es meistens, ab und zu (und nur phasenweise) dezent abgedunkelt (ohne in Melancholie oder düstere Stimmungen zu verfallen), in einem Fall dachte ich kurz an Leonard Cohen. Eine Ausnahme bildet ein Instrumental (mitsamt Synth), das Anleihen bei Minimal Music bzw. Mike Oldfield aufnimmt, repetitiv, punktiert. Vor allem aber sind die Songs als solche absolut apart, hochwertig, voller melodischer Klasse! |
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Thurston Moore – Flow Critical Lucidity |
CD und LP
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24er, schon die neunte Solo-LP des Sonic Youth-Mannes. Für mich
auf jeden Fall ein Highlight seines Solo-Schaffens. In der festen Band spielen u.a. Deb Googe (My Bloody Valentine) und Jon Leidecker (Negativland), als Gast ist Laetitia Sadier (Stereolab) dabei. Ziemlich großartig finde ich „Hypnogram“ (Annäherungen an eine Art melodischen „Alternativ-Dream Pop“, mit Psychedelia/Shoegazer-Elementen verbunden, phasenweise absolut hypnotisch), aber es gibt eine Menge faszinierender Ideen zu entdecken. Z.B. im nachfolgenden ebenfalls psychedelisch angehauchten Track, der geheimnisvoll, spooky anmutet, atmosphärisch stark, dezent verträumte Momente, Dark Wave-Erinnerungen, entfernte Parallelen zu den entsprechend gelagerten ruhigen Swans-Sachen. Oder Can-Einflüsse, gepaart (in geringerem Maße) mit Tribal- und Talking Heads-Spuren, suggestiv. Neu! ist ein weiterer möglicher Bezug, einmal nur kurz und geringfügig in einer Nummer mit zeitweise fast kontemplativer Wirkung (ohne leise zu sein, etwas spacey zwischendurch) im individuellen Indie-Rock/Pop- Rahmen, einmal erheblich deutlicher, schon durch die Motorik, gespickt zum anderen mit New Wave-Spritzern der 80er (aber ausnehmend eigen umgesetzt). Ein weiterer Song beinhaltet sowas wie unkonventionellen „repetitiven Dream Pop“, linear im entspannt- sanften Fluss gehalten. Schließlich gibt´s noch ein auf seltsame Weise lakonisch klingendes Stück, simple Struktur, aber außergewöhnliche tolle Sounds von Saiten, Tasten, Schlagwerk. Man könnte dort zudem World Music-Einflüsse vermuten, von ungewisser Herkunft, im Indie-irgendwas-Gewand. Repetitiver Charakter ist mal mehr mal weniger den meisten der sieben (oft etwas längeren) Tracks gemein, eine klare eindeutige Gitarrenorientierung nur 4 davon. Hätte ich so gut nicht erwartet. |
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Joan As Police Woman – Lemons Limes And Orchids |
CD und LP
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24er, ihr erstes „reguläres“ Studioalbum mit neuen Stücken seit
längerem. Vieles atmet auf organische, wie selbstverständlich wirkende, „natürliche“ Weise Anspruch, was auch auf diverse oftmals ausgesprochen gehaltvolle/intelligente Texte zutrifft. Minimalistischer Electro-(Modern)-Songwriter-(Art-)Pop steht neben halbwegs „klassischem“ (voller instrumentiert), wobei Roots-Elemente (u.a. Folk, in geringem Maße auch mal Jazz, 1x Blues- Spuren) eher modifiziert bis unspezifisch und/oder moderat (und vermischt) verwendet werden, aber es gibt auch einige Nummern, die eindeutig soulig konnotiert sind (zeitgemäß, ohne modernistisch zu wirken), partiell ebenfalls ziemlich runtergedimmt, in einem Fall funky R´n´B in dezent raffiniert (tolle Punktierungen von E-Gitarre und Synth, die sich eh im Großen und Ganzen die instrumentale Arbeit teilen), zwischendurch, stilistisch hier zwischen allen möglichen Stühlen beheimatet (mit am stärksten elektronisch gestaltet und inklusive komplexem reizvollem Groove) beschränkt sich der Soul-Aspekt einzig auf den Gesang. Eine balladeske (oder wenigstens sehr ruhige) Gangart hat starkes Übergewicht, bis hin zu ganz langsamen Tempi. Viele Synthie-Klangfarben klingen übrigens außergewöhnlich attraktiv! Vor allem aber, wie gesagt, die songwriterische Qualität ist hoch! |
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Seun Kuti & Egyt 80 - Heavier Yet |
CD und LP
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24er, Sohn von Fela. In größeren Abständen bringt er eine neue
Platte raus, dies ist die fünfte, manche (nicht alle) sind toll – ganz besonders diese! Die Stücke sind etwas länger (allerdings nicht wie bei Fela 10 Minuten und mehr), Afro Beat ist die unbestrittene Grundlage, mal mehr, mal weniger modifiziert, aktualisiert, weiterentwickelt (oder beinahe „naturbelassen“), Bläser und E-Gitarre dominieren, die Arrangements klingen teilweise absolut großartig (und enorm kompakt). Wobei die Art der (insgesamt einfach superben!) Bläser, gern quasi „gehackt“, stoßweise, stakkatohaft, ein typisches Markenzeichen bildet - in einigen Tracks tragen sie zudem mittels Soli für etwas Jazzinput die Verantwortung, agieren außerdem melodiestiftend, und sind einer der Faktoren für einen starken glänzenden mehrschichtigen polyrhythmischen Charakter (klasse Grooves! Hypnotische Qualitäten!). Was auch für die Gitarren gilt, gern innigst und perfekt verzahnt mit dem Gebläse, natürlich immer wieder (auch) funky, und/oder repetitiv. Hin und wieder schleicht sich ein erfrischender fast schon kongenial zu nennender (catchy) Pop-Appeal ein, die Vocals unterscheiden sich nicht sonderlich von Felas Vorgaben, die (oft sozialpolitischen) Texte in der Ausrichtung ebenfalls nicht (Seun ist gleichzeitig eine Art Aktivist in Nigeria, durchaus nicht ohne Wirkung wohl). Für mich eine richtige Sternstunde: „Emi Aluta“ mit Gast Sampa The Great (Songwriter und Rapper), dessen Vocals sich wunderbar einfügen, mit gehöriger Schärfe der Bläser samt bestechenden kurzen Features und ungeheurer Dichte. Lohnt das Album schon alleine. Daran anschließend geht´s ungewohnt entspannt/geschmeidig (und melodisch) weiter, hier sind unterschwellig Jazz-Konnotationen auch in der Rhythmik vorhanden. Zum Abschluss entwickelt sich ein herrlicher Flow, wozu wirkmächtige knappe sich wiederholende Bläsermotive gehören (die es auch anderswo gibt). Klare satte Empfehlung. |
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Ezra Collective - Dance, No One's Watching |
CD und LP
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24er, die 3. LP der Überflieger aus London (kürzlich mit der
prestigeträchtigsten Auszeichnung in England geehrt, dem Mercury Prize, als erste Jazz-orientierte Band überhaupt). Einer der Band spielt seit langem live bei den Gorillaz, weitere Mitglieder z.B. mit Nubya Garcia oder Tony Allen. Nach dem großartigen Vorgänger war ich sehr gespannt, und es gibt Veränderungen (wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt): Weit weniger Reggae-Anteil (eigentlich nur einmal wirklich), klar mehr Nigeria (Afro Beat natürlich), doch selten pur, mehr 70er-Elemente insgesamt (die allerdings nie dominieren), wohl auch verstärkter Funk-Einfluss, oder? Das gemeinsame/verbindende Element fast aller Stücke (abgesehen von 4 ruhigeren jeweils ganz kurzen Interludes mit Streichern im Vordergrund) ist wie gehabt der (großteils packende!) Groove (sogar wenn der Track ausnahmsweise ganz und gar auf atmosphärische Tasteninstrumente ausgerichtet wird, ohne die obligatorischen Bläser und E-Gitarren), freilich in vielfältiger Form: Modern Beats mit Club-Affinität, gar mal House- oder Hip Hop-Annäherungen, gern natürlich unwiderstehliche funky Afro Beat- Tendenzen (mal ganz schön pur wirkend, mal in Kombination mit dezent modernerer Rhythmik), in tanzbarem Neo-Soul (in enorm ansteckend) verpackt (ziemlich wenig Jazz- Anteil), Groove-Jazz relativ klassisch bzw. ein nur wenig von den 70ern abweichender toller afro-kubanischer Drall, in gemächlicher Gangart (nicht ohne Ähnlichkeiten mit dem Fusion Jazz der mittleren 70er)… Die jeweiligen stilistischen Einflüsse der Tracks sind vielfältig, es ergibt sich eine Vielfalt an Stilmixen, beispielsweise: Offener Jazz (inklusive einer Art Früh- 70er Proto-Fusion) meets West-Afrika (von Highlife bis Afro Beat); modernerer Groove Jazz + Funk + Afro Beat, mit und ohne Funk-Spritzer; eine groovende R´n´B-Jazz-Afrika-Melange; Rap-Jazz-Funk in wechselnder Schwerpunktsetzung. Wobei mehrfach ein E-Piano (resp. die Keyboards) dem Früh-70er-Electro Jazz nicht unähnlich klingen (z.B. Herbie Hancock dieser Zeit). Ein großer Teil der (immer wieder erfrischend starken) Melodik geht auf das Konto der exzellenten (und präzisen) Bläsersätze. Und das Tempo wird vornehmlich hoch gehalten. Erst die letzten beiden Nummern weichen klar vom Weg ab: Ein Piano-Solo-Ausflug, ruhig, sehr schön und relativ eigen, nicht ohne dramatische Effekte. Und das überwältigende „Everybody“, der Groove steht hier nicht im Vordergrund, verschwindet phasenweise ganz, starke Kontraste beleben massiv, die Melodik nimmt total gefangen, absolute Klasse! Klare Empfehlung, beileibe nicht nur für Jazz-Fans |
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Die Nerven - Wir Waren Hier |
CD und LP
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24er. Weil ich das Album so toll finde, hier eine kurze Rezension
auch von mir, durchaus unvoreingenommen. Richtige Überraschungen sind nicht zu hören, (gern schneller) Post Punk steht im Vordergrund, ziemlich klassisch, oder inklusive gewisser Metal-Bestandteile (und zugleich suggestiv-eingängig). Daneben sowas wie eine modifizierte bzw. aktualisierte melodisch verzückende New Wave-Fortsetzung; göttlicher präziser markanter Krach (Noise), ebenfalls mit Melodie; vereinzelt (doch mehrfach) weitere Metal- resp. Stoner-Anleihen (partiell dramatisch). Aber auch: Eine richtig schöne kurzzeitig fast hypnotische sich irgendwie auftürmende Ballade mit Streichern, eine genauso gute elegische Post-Pop/Rock- Wave-Halb-Ballade mit gloriosem Guitar-Part und eine zurückhaltende dunkle atmosphärisch sehr starke Nummer mit intensiver Steigerung. Selbst eine Annäherung an (sehr frühe) Cure kommt vor. Die Texte strotzen nicht gerade vor Optimismus, um es vorsichtig auszudrücken. Das alles klingt gut wie nie!! Würde ich auch sagen, wenn´s nicht von Glitterhouse wäre. |
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Nick Cave - Wild God |
CD und LP
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24er. Welch ein Werk. Die Instrumentierung baut auf Streicher,
Piano, Keyboards, z.T. auch Bläser (oder Glocken), plus eine Menge Chöre/Backing Vocals, Gitarren haben insgesamt wenig Bedeutung. Balladen überwiegen. Das Ergebnis verfügt über eine Menge schwelgende respektive orchestrale, ja manchmal geradezu überbordende Phasen, emotional zugespitzt (beinhaltet aber auch recht schlanke/runtergeschraubte Arrangements in Teilen), Drama mehrfach inklusive, dazu passt seine Stimme: In ganz großer Form, so gut wie selten! Religiöse Untertöne und pure Freude vermischen sich, zuweilen in faszinierender Atmosphäre. Gerade mal ein einziger Track überzeugt mich nicht voll und ganz (O Wowowow, eine Art Indie Pop mit angedeutetem Groove), ansonsten: Lauter Höhepunkte, zwei davon noch einmal herausragend: „Conversion“ (zur Hälfte relativ handfest, irgendwie etwas gospelhaft, wie auch andere Songs hier, voll im Saft, zum Schluss berauschend; davor sehr zurückhaltend, ganz dezent dräuend und sehr einfühlsam); sowie das wundervolle erhabene „Joy“, dunkel schillernd und rhythmusarm, in der Begleitung fast zeitlupenhaft, während die grandiosen Vocals quasi predigen, punktuell ein Chor – hinreißend, triumphal! Während all dessen erlaubt sich die Begleitung in einigen Nummern einige harmonische Freiheiten. Im Ganzen gesehen: So klang er eigentlich noch nie. Ganz große Empfehlung |
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Beak - >>>> |
CD und LP
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24er. Das Trio mit ex-Portishead Geoff Barrow und Billy Fuller
(u.a. Robert Plants Sensational Space Shifters). Fast jedes Stück klingt anders, eines aber wiederholt sich doch recht oft: Der Einfluss von Jaki Liebezeit auf die Drums (und gelegentlich weitere Can-Anklänge). Besonders massiv z.B. bei einer Nummer, die die Can-Motorik mit Elementen der Elektronik-Pioniere Silver Apples (Ende 60er) verbindet, mit einer Prise Synth-Avantgarde, die Vocals leicht klagend und bewusst „wackelig“, spät ergänzt eine Gitarre. Außerordentlich reizvoll! Ein Track beleiht Can gar im Songtitel (leicht verändert, „Ah Yeh“), die Referenzen sind ebenso stark (besonders aparte Synthies im langsamen Fluss, die Rhythm Section im erheblichen Kontrast dazu), wie auch gleich anschließend, wobei ein enorm akzentuierender Bass im Gegensatz steht zu einer Orgel. Anderswo treffen ein bohrender Fuzz-Bass und dazugehörige Alarmstimmung (u.a. mittels Synth erzeugt) auf Gitarren-Riffs in Schräglage, repetitiver aktualisierter (Post-) Kraut arbeitet mit ganz ruhigem Gesang, der im letzten Teil ins Enervierende abgleitet, parallel mit nunmehr aggressiven/rohen Distortion-Gitarren, oder Kraut- und Pop-Elemente sowie Pink Floyd-Spuren werden (über einem nervösen Groove) kurzzeitig mit Prog-Anleihen gekoppelt. Zu Beginn bestreitet eine getragene „feierliche“ Orgel ein langes Intro (inklusive Kirchen-Assoziationen), ehe Gesang in aller Ruhe einsetzt, gefolgt von einem rhythmischen Synth-(Bass?-)Rumoren im Backing, es entwickelt sich ein reizvoller organischer Polyrhythmus… Gegen Ende des Albums werden Erinnerungen an 80er-New Wave wach, versetzt mit Groove- und Industrial-Ansätzen (ein Hauch frühe OMD vielleicht?), oder ein greller Distortion-Bass geht mit dem Synthie auf eine dunkle experimentelle Zeitlupen-Reise. |
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Steve Wynn -
Make It Right |
CD und LP
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24er. Nach 14 Jahren ein neues Solo-Album vom Dream
Syndicate-Kopf. Das ganz und gar nicht nach D.S. klingt, no Paisley Underground, sehr wenig Psychedelia, dafür reichlich Variation. Jede Menge Gäste, u.a. Mike Mills (REM), Vicki Peterson (Bangles), Chris Schlarb (Psychic Temple), diverse Kollegen seiner derzeitigen Bands (Dream Syndicate, Baseball Project). Die Spannbreite der Musik ist, wie gesagt, beträchtlich: Zwei Roots-Songs besitzen durch eine Pedal Steel etwas Country-Flair (aber nur dadurch), der eine klingt sehr ruhig, zurückhaltend, der andere rockiger (und kurzzeitig auch durch eine E-Gitarre ein klein wenig country-esk). Garage Rock sehr punktuell vermählt mit frühem Guitar-Proto-New Wave. 2x feiner gefühlvoller „Atmo-Rock“, mal elastisch mit dezentem late-night-Flair, mal akustisch betont. R´n´B-orientiert, die 60s/70s aktualisiert. Roots-rockig auf offene Art, im relaxten schönen Fluss. Dunkel, atmosphärisch, fast geheimnisvoll, und etwas psychedelisch (vorzügliches kurzes Guitar-Feature). Der mit 7 Minuten klar längste Track wirkt kurzzeitig ein bisschen experimentell, sehr rauh, rhythmisch total straight, ansatzweise Jam-Atmosphäre. Und ein komplett akustisches Stück fällt ziemlich aus der Reihe, durch ein dezentes Latin-Flair (zeitweise jedenfalls), die Instrumentierung (z.B. Vibrafon, Streicher), bei gleichzeitigem 60s- Feeling. Signifikant ist die recht häufige Verwendung einer Akustikgitarre (meist, nicht immer mit E-Gitarre kombiniert), fast immer sind Synthie/Keyboards/Orgel oder E-Piano dabei, mit und ohne auffällige Rolle. |
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Wayne Graham – Bastion |
CD und LP
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24er. Eine Band (kein einzelner Musiker) aus Kentucky. Ein sehr
individuelles Album, dass mehrfach Aspekte verknüpft, die normalerweise nicht miteinander verbunden werden. Was gerade den Reiz ausmacht. Aber natürlich auch eher homogene resp. straighte Stücke. 2 Nummern erneuern quasi den Songwriter-Rock, beide faszinieren auf ziemlich hypnotische, jeweils eigene Art: Unerbittlich vorwärtsmarschierend mit später punktuellen Massierungen (bestimmten Stücken von War On Drugs nicht unähnlich, wenn auch eher entfernt); oder, in völlig anderer Atmosphäre, durch ein wunderbar tropfendes Piano geprägt, das gar kurz für einen Hauch Jazz sorgt und gleichzeitig ein gleichbleibendes Motiv beständig wiederholt. Relaxt wirkender lockerer Americana in Rock (eine Prise Country) überrascht kurzzeitig durch eine erheblich schwerere Gitarre, weist Groove-Momente auf. Eine vorzügliche E-Gitarre atmet manchmal den Geist des frühen Acid Rock (okay, in Ansätzen), entwickelt anderswo Avant-Noise und Free Jazz-Kürzel (was auch auf knappe Bläsereinlagen zutrifft und Piano- Fetzen), das alles ohne den Fluss zu verlieren und im Rahmen von geradlinigem Americana Rock mitsamt einer Art Groove in suggestiv. Zwei bedächtig tropfende Balladen bewegen sich zwischen diversen Stühlen des 70er-Songwriter-Roots-Pop, einmal in Slow Motion und ungewöhnlich in der Ausführung, einmal in suggestiver Gelassenheit, für Momente ein Jazz- Piano sowie Synth-artige Sounds einflechtend, in der 2. Hälfte verdichtet (von Ferne dachte ich an ruhige Grateful Dead, einen Hauch nur, freilich ohne Gitarren in den Vordergrund zu stellen). Bleiben noch lange Zeit tiefenentspannter Indie Rock mit minimalen Roots- Untertönen und herausstechenden Gitarrentönen, die die Harmonie ein bisschen aufbrechen (melodisch sehr attraktiv!) und ein Mix aus Folk Rock und melodischen traditionellen Jazzelementen (v.a. 50s-Anleihen) – ganz schön singulär! Was eben auch insgesamt zutrifft! Speziell aber absolut empfehlenswert. |
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Fontaines D.C. – Romance |
CD und LP
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4. LP der Iren. Sie machen es nicht mehr so einfach, eindeutige
Vorbilder/Vergleiche zu benennen, das stilistische Spektrum wurde erweitert (bzw. teilweise verändert) gegenüber früher, z.B. der (Indie) Pop-Anteil vergrößert (in ausgesprochen melodiöser Ausrichtung). Die Stücke bewegen sich irgendwo zwischen Indie Pop (meets Post Wave z.B.), New Wave-Pop der 80s, Guitar Post Punk, Brit Pop vergangener Zeiten, 90s Alt. Rock (trifft partiell Emo- Rock), Rückgriffen auf ihren früheren Trademark-Post Punk in hier balladesker Form (mal mit diversen Kontrasten, mal dunkel, schwer und distorted, ein Hauch ruhige Swans gar); ohne sich jeweils unbedingt klar abzugrenzen, die Grenzen verschwimmen. Zwischendurch tauchen gar Hip Hop-Elemente auf (die Rhythmik, ansatzweise die Vocals), oder eine kleine Prise Jesus & Mary Chain in sehr moderat, dezente psychedelische Elemente im teilakustischen Rahmen, mehrfach klingt´s erstaunlich eingängig. Post Punk wurde jedenfalls ganz schön weit reduziert, dafür die Tasten-Betonung verstärkt, so manches klingt weicher, runder, heller bzw. farbiger. Und mein bevorzugter Song verfügt über eine reizvoll rotierende/repetitive Melodik, samt einer Spur halluzinogenem Input. |
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International Music – Endless Rüttenscheid |
CD und LP
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24er, 3. LP. Das (Gitarren-) Trio aus dem Ruhrgebiet gehörte von
Beginn an zu meinen bevorzugten deutschen Bands (zu zwei Dritteln identisch mit den Düsseldorf Düsterboys). „Minimalistischer Rocksound“ steht recht treffend im Info. Aber ein ganz schön vielfältiger: Drama-Guitar Rock mit Retro-Flash und Proto-Acid-Momenten. Melancholischer melodienseliger Guitar Pop in zeitlos, jedoch mit modifiziertem/erweitertem 60s-Vokabular. 80s-Deutsch-Wave mit und ohne Reggae-Touch, ansteckend oder ganz besonders minimalistisch. Sowas wie „Psyche-Folk“. Skelettierter purer Pop trifft einen Hauch (nicht mehr, und nur punktuell) Kraut, wie in Trance. Ein manipulierter Mix aus Them und Velvet Underground plus Psyche-Einfluss in der tollen Gitarre, klasse Melodie-Einfälle. Eine Art verfremdeter Boogie unter 50s-Einfluss inklusive massiver Distortion. Stoisch und unverschämt poppig zugleich mit anschließender Acid-Gitarre – hypnotisch und packend! (Power) Pop in starker 70s-Färbung. Garage-Tendenz mit wüstem Schluss und dennoch Pop- Flair. Und mehr Melancholie, mehr Melodie, jede Menge reizvolle Harmony-Vocals. Wie schon zuvor gilt auch hier: Die (deutschen) Texte nerven mich null, kommt nicht so oft vor. Exzellent. |
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Mercury Rev – Born Horses |
CD und LP
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24er. Die Musik kommt etwas überraschend für mich, haben sie so
was schon mal gemacht? Die Vocals bestehen weitgehend aus (teilweise fast geflüstertem) Sprechgesang. Es gibt jede Menge Hall. Gar manches wirkt etwas elegisch, mit umhüllenden Soundscapes bestückt, teils sanft orchestraler zeitloser Tasten-Pop (in einem Fall inklusive einem Hauch Folk-Input, jedoch keineswegs im Sound), teils ziemlich pompös/sehr vollmundig (Keyboards, Streicher, Piano, auch Bläser), vielfarbig, oft dicht arrangiert, „schwellend“, nur kurzzeitig runtergedimmt. Gelegentlich melancholisch-erhebend, zurückhaltend und sehr atmosphärisch (stilistisch undefinierbar; später intelligent und leicht agiler/komplexer rhythmisiert), oder leichtfüßig federnd fließend (dezenter Jazzeinfluss, ganz entfernt eine Spur Chet Baker), oder ausnahmsweise (deutlich) rockiger und schneller. Sporadisch tauchen rauhe Gitarren auf. Ich kann mir nicht helfen, die Üppigkeit des Sounds erinnert mich in einigen Stücken an die 70er-Zeiten des Symphonic Rock, gar (okay, entfernt) Alan Parsons Project. Teils längere Tracks |
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Bassekou Kouyaté & Amy Sacko - Djudjon, L'oiseau De Garana |
CD und LP
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24er. Er gilt als der Ngoni-Meister Nummer eins, nicht nur in Mali
– ein Saiten-Virtuose sondergleichen, der dem Instrument Klänge entlockte, die in dieser Form unbekannt waren (in seiner Band Ngoni Ba mit gleich 4 teilweise unterschiedlichen Ngonis), vor ca. 10 Jahren zudem begann, es zu elektrifizieren (samt einem phasenweise beinahe rockigen Album). Nunmehr klingt er erheblich luftiger, die Dichte und Intensität fährt er herunter, alles bleibt akustisch, die Tempi fallen überwiegend relativ zurückhaltend aus (ohne auf etwas flottere ganz zu verzichten, gleich im überraschend Groove-betonten Opener entwickelt sich ein bestechender Drive), ein paar Stücke wirken geradezu relaxt, oder gar wie in slow motion (sehr reizvoll). Aber egal in welcher Geschwindigkeit, die Rhythmen wirken sehr sehr delikat, ohne je spektakulär auszufallen! Sein Spiel klingt brillant wie immer, gern filigran und irgendwie „gestochen“, dabei musikdienlich wie gehaltvoll, von erstaunlicher Bandbreite, ergänzt von Bass-Ngonis und sparsamer Percussion – vor allem aber in der Dominanz immer wieder abgelöst von der blendenden zuweilen durchdringenden Stimme von Ami Sacko (bei der Hälfte der Tracks), die für eine ganze Reihe hinreißender Highlights sorgt. Das Ergebnis ist tolle lebendige von westafrikanischen Traditionen durchdrungene Musik, die jedoch dort nicht stehen bleibt; variiert und weiterentwickelt, passenderweise auf eigenem Material fußend, zwischendurch bezieht sie ein gewisses bluesiges Flair ein (zu hören freilich ausschließlich in seinem Ngoni-Spiel, das manchmal eine fabelhaft „singende“ Note erhält). Klare Empfehlung. |
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Fink - Beauty In Your Wake |
CD und LP
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24er des Engländers Fin Greenall, dessen Musik so gerne für
Soundtracks verwendet wird, mit seiner Band in der „klassischen“ langlebigen Besetzung mit Thornton und Whittacker. Irgendwie klingt das, was er hier macht, teilweise fast schon „originär“. Der faszinierende Opener gibt die Richtung schon in etwa vor, in besonders konsequenter Form: Von enormer Sogwirkung durchzogener Singer-Songwriter-Stoff, der sich abseits von engen stilistischen Zuschreibungen (oder Vorbildern) ganz linear und beständig steigert, zunächst nur von akustischer Gitarre begleitet (aber bereits klar rhythmisiert), dann mit Band, irgendwann elektrifiziert, immer dringlicher. Regelrecht hypnotisch! Der nächste Song, intim beginnend, ist ähnlich aufgebaut, aber nicht so gnadenlos/strikt/massiv gesteigert, und anders endend – nämlich mit Rückgriff auf den Start. Gefolgt von einer Nummer, die die (eh gern verwendete) ziemlich repetitive Begleitung besonders betont, akustisch geprägt, die schön phrasierenden Vocals ragen durchweg heraus, wie beim ersten Stück wird auch dieses fortlaufend verdichtet/intensiviert, zum Schluss enorm. Anschließend ist zweimal hohes Tempo angesagt (in dennoch akustischem Setting), in einem Fall „galoppierend“ mit gewohntem Steigerungsprinzip, im anderen wird die Rhythmik (die sonst fast durchweg die ganzen Songs über absolut konstant bleibt, freilich jeweils ganz unterschiedlich beschaffen) quasi erst nach und nach „konkretisiert“, während die Akustikgitarren mehr akzentuieren, die Refrains deutlicher abgesetzt sind. Im Folgenden wird dann doch mehr variiert: Mal setzt die Verdichtung erst spät und ganz plötzlich ein (wie auch die Elektrifizierung); mal bleibt es lange folkig (um bluesig zu enden), während meist ein dezentes (Indie-) Folk-Flair besonders zu Anfang hörbar ist (bevor die Drums einsetzen); und die letzten beiden Songs fallen deutlich aus dem Rahmen: Eine intime leise radikal reduzierte Ballade (klasse), sowie eine ruhige dunkle ungewohnt gleichmäßige atmosphärisch spannende Nummer. Phasenweise wirkt der Gesang übrigens leicht improvisierend (und besitzt dabei erheblichen Reiz), außerdem relativ sanft, aber bestimmt. Und ich vermeine, (nur sporadisch!) auf eine verquere Art entfernt ähnliche Merkmale wie bei War On Drugs zu hören (in anderem musikalischem Kontext allerdings). |
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Dirty Three - Love Changes Everything |
CD und LP
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24er. Die langlebige Band mit Warren Ellis (seit Ewigkeiten
wohlbekannt als Wegbegleiter von Nick Cave/Member der Bad Seeds), Mick Turner und Jim White ist immer noch existent, ihre letzte LP liegt allerdings schon 12 Jahre zurück. Dieses „Comeback“, in 6 längeren Stücken, klingt ziemlich kompromisslos: Roher Free Rock, irgendwann rhythmisiert/stampfend (und unerhört intensiv) samt melodischen Elementen, die Gitarren dreckig/schlierig/massiv verzerrt, eine Bratsche erheblich klarer. Schwermut und lichte Klänge in transparenter effekt- loser Artikulation und kammermusikalischer Ausprägung, es reichen eine Geige, zarte E- Gitarre und losgelöste Drums (v.a. gebremste Beckenarbeit). Ein erbarmungslos durchgezogenes Riff und distinguiertes Gitarrengefrickel starten, daraus entsteht eine dicht gepackte Gitarrenphalanx und (teils ziemlich wild) herumstreifende 2 Streicher (die kurzzeitig an die sehr lauten frühen freien Velvet Underground-Eskapaden erinnern) – Free Rock ohne Zügel oder falsche Zurückhaltung, ungemein dicht und intensiv auch hier. Eine lyrische repetitive Piano-Melodie in Variation, dunkle leise rumorende Drums und wiederum kammermusikalische Avant-Soundscapes aus Geige, Bratsche und E-Gitarre. Eine ähnlich angelegte Nummer mit dezent jazzigem Einfluss und entfernter Ähnlichkeit zu den leisen Free Form-Jams von Grateful Dead, die Bratsche sorgt für ein wenig melodischen Input. Und schließlich ungebundene Streicher-Schlieren, tropfende sehr langsame Piano-Melodien, rollende „offene“ Drums und filigrane E-Gitarren-Verzierungen – die strake Kontraste bilden, zum Schluss Crescendi-Eskalation betreiben. Kurzzeitig lugen extremste Sonic Youth-Sachen um die Ecke. |
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Sun Ra - Inside The Light World |
CD und LP
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24er Veröffentlichung auf Strut. Ein weiteres „neues“ (bis auf 2
Stücke auf obskuren Videos) unveröffentlichtes Album – und zwar absolut keine „Überbleibsel“/Resteverwertung! Es handelt sich um Aufnahmen von 1986, live im Studio, quasi ein komplettes Konzert, der Titel des Werks nimmt übrigens Bezug auf eine ziemlich große Lichtmaschine namens OVC, die individuell mittels Tastatur „gespielt“ und während der Einspielung verwendet wurde (das relativ kurze Video davon ist auf You Tube verfügbar). Überraschend nach meinem Dafürhalten absolutes Pflichtprogramm für alle Fans und selbst für Sun Ra- Gelegenheitskäufer (oder gar „Newcomer“) sehr sehr reizvoll! Was, neben der starken Groove-Betonung fast aller Tracks (ob Swing-basiert, polyrhythmisch-afrikanisch oder whatever), vor allem an 4 fürwahr grandiosen Highlights liegt (die mehr als die Hälfte der insgesamt 88 Minuten umfassen): Der Klassiker „Calling Planet Earth“, hier 11 Minuten lang, melodisch ja eh glorios, in diesem Fall allerfeinst variiert, groovend auf etwas unkonventionelle (und hochattraktive) Weise, top Call-Response-Vocals (June Tyson, der Meister selbst), ein paar brillante Soli bzw. Konversationen (Bläser, teils unter Einbeziehung des Pianos, punktuell auch der Synthie). Mir fällt keine bessere Version ein. Sodann „Theme Of The Stargazers“, erneut mit bestechenden melodischen Erweiterungen, klasse Grooves spezieller Art und herausragenden Soli (u.a. Synth, Gitarre, die eh bei mehreren der 12 Nummern eine größere Rolle spielt), kurze fantastische „verwirbelte“ Mehrschichtigkeit. „Saturn Rings“ verfügt über einen unaufhaltsamen Swing-Groove, super Bläser-Motive, ebensolche Call-Response-Stimmen (die erstaunlicherweise insgesamt bei weit mehr als der Hälfte der Musik zum Einsatz kommen, und zwar in bestmöglicher Form), ein effektvoll riffendes Bariton-Sax (gleichfalls mehrfach vertreten), Space-Synthies, einfach perfekt kombinierende Bläser. Und noch ein Klassiker, Discipline 27-II, in epischer Länge (22 Minuten, keine zu viel): Eine herrliche zentrale Melodie (eine seiner schönsten), von der Bläser-Phalanx lange andauernd prachtvoll präsentiert mit wechselnd überlappenden Solo- und Kollektiv- Stimmen, später stärker variiert, wunderbare Kommunikation einzelner Bläser, Soli (nicht so viele trotz der Länge) zwischen (nur punktueller/kurzzeitiger) Freiheit und Schönheit, zwischendurch heruntergedimmt, fabelhaftes (kurzes) Synth-Solo auch hier, repetitve Kurz- Motive resp. Riffs der Bläser, 3 Vokal-Phasen, gemäßigter Swing, becircend klangfarbenreich. Soweit die Höhepunkte, außerdem gibt´s 3 knappe (E-/Synth-) Piano-Features (von denen mir 2 eher überflüssig erscheinen), ein paar Mal besagte Afro-Polyrhythmik als (1st class-) Basis (einmal inklusive Latin-Bezug), sehr schöne Bläsersätze, 50er-Jahre- und noch ältere Einflüsse, die auf seine typische Art modifiziert, erweitert oder auch verfremdet werden (massiv swingend), eine recht traditionell gehaltene Vokal-Ballade. Der Sound übrigens ist voll okay, ja keine Selbstverständlichkeit bei Sun Ra. Große, fette Empfehlung! |
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Nathaniel Rateliff - South Of Here |
CD und LP
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24er. Zum wiederholten Male ein ganz exquisites Album von ihm.
Ungeheuer emotional, gesanglich packend, gehaltvolle Songs von bestechender Tiefe. Kein Wunder, dass beispielsweise Robert Plant ein ganz großer Fan von ihm ist. Der seit einiger Zeit bei ihm obligatorische R´n´B-Einfluss (traditioneller Art) ist diesmal nicht ganz so prägend, mal nur unterschwellig spürbar, mal deutlich, mal sehr gering gehalten. Im Einzelnen: Enorm kraftvoller Roots-Rock mit dominierender und ziemlich großartiger auffälliger E-Gitarre, die teilweise mit der Gesangsmelodie korreliert. Songwriter-Rock von unerwarteter Schärfe und Dringlichkeit (wahlweise massivem Drive), der in einem Fall erneut durch superbe, tief schneidende Gitarren glänzt, aber zwischendurch auch kurze vom Piano bestimmte ruhige Phasen aufweist. Ein viel ruhigerer Song (dennoch dezent rockig), doch emotional in den Refrains grandios überwältigend, schließlich in hymnische Höhen emporsteigend – groß! Zeitloser R´n´B mit Bläsern, die im Folgenden oft auftauchen, zum Beispiel in einem stark Roots-geerdeten Stück, das, wenigstens ein kleines bisschen, an Springsteen erinnert, oder in einer Melange aus Rock und R´n´B, die in der Machart sich nicht so sehr von den Stones unterscheidet. 2x 70s-artiger Edel-Songwriter-Pop mit vielfältigem Roots-Input, teilakustisch, 1x irgendwie eine Spur wie The Band mit (noch) mehr Bandbreite. Schließlich süffige umfassende Americana, ob ein Hauch wehmütig (und wunderschön!) oder als Ballade intim und verführerisch einfühlsam (in der 2. Hälfte begeistert noch einmal diese tolle E-Gitarre). Brad Cook produzierte übrigens, klasse Job. Sehr zu empfehlen! |
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Madeleine Peyroux - Let's Walk |
CD und LP
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24er, nach langer Pause. Komplett gemeinsam mit Jon Herrington
geschrieben (mit dem sie lange schon zusammenarbeitet, und der ansonsten ebenso lange als Gitarrist für Steely Dan und deren Soloprojekte tätig ist). Ihr „tiefgründigstes und gehaltvollstes“ Album, wird im Info behauptet – okay, kann ich nicht beurteilen, ich hab nach den ersten (sehr schönen) Alben ihren Werdegang nicht mehr verfolgt, aber grundsätzlich treffen diese Attribute, das Songmaterial ist exzellent, ihre Stimme mag ich genauso wie damals (und erinnert immer noch bisweilen etwas an Billie Holiday, selbst ein, zwei Stücke gehen wenigstens ein kleines bisschen in diese Richtung). Die Bandbreite der Musik scheint mir eher noch zugenommen zu haben, teilweise verschwimmen die Einflüsse auch/verschmelzen miteinander. Das reicht von intimem balladeskem „Jazz-Folk“ mit ziemlich „alten“ Jazzelementen, noch älteren aus dem Blues- und Folk-Sektor (samt jazzigen und gospeligen Spuren, jedoch recht zeitlos und attraktiv arrangiert, in relaxtem aber „bestimmtem“ Ambiente), über handfestem R´n´B in sattem Groove (70s-Anklänge), je einmal auch Chanson-Tendenz (dezent schwingend) und relaxtes Tex Mex-Flair, in sich ruhendem Blues Marke 50er (allerdings stilistisch erweitert), einer offen rootsigen fast kontemplativen Songwriter-Pop-Ballade, Folk-Pop in großer Ruhe und Gelassenheit (in sanftem Fluss, inklusive geringem Jazz-Input), bis zu angejazztem Blues (nochmal 50s) in „natürlich“ groovender eher gemütlicher Gangart und Karibik/Ska-Anleihen (spoken words, angeblich von Linton Kwesi Johnson inspiriert, und ein Jazz-angehauchtes Marimba-Feature). Die edle Begleitung besteht meist aus elektrischen (großteils gering verstärkten, filigranen) E- und/oder akustischen Gitarren, Orgel, teils zudem E-Piano, Akkordeon, Piano und Steel-Gitarre. Vor allem, aber, wie gesagt, verfügt das Album über reichlich richtig gute Songs! |
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King Hannah - Big Swimmer |
CD und LP
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24er der zuletzt so famosen Liverpooler, die sich diesmal auch
textlich US-beeinflusst zeigen, stilistisch jedoch etwas eingegrenzter: Die gelegentlichen Elemente aus Trip Hop, (Southern) Gothic, Dream Pop, Shoegazer fehlen weitgehend, ebenso wie jegliche Tasteninstrumente, auch die Vorliebe für massiv atmosphärisch ausgerichtete Songs wurde verringert. Dafür tauchen mehrfach (aber punktuell) Stoner-artige (Fuzz-) Momente in einigen Songs auf (oder „Proto-Stoner“ ohne richtige Härte, gekoppelt mit einem kleinen Abstecher zum Noise-Post Punk, bzw. Kyuss ohne Heaviness), auch Crazy Horse sind mal nicht so weit weg. Und sie sorgen gerne für Kontraste: Gitarren-Rock pendelt zwischen ziemlich sanft/intim und verzerrten kurzen Ausbrüchen (als Bonbon ein ganz feines dezent psychedelisches Guitar- Solo), eine großteils filigrane Indie-Ballade von erheblicher Schönheit wird spät dann doch wieder verzerrt (immer noch balladesk) samt langem exquisitem Solo (nicht so viel anders als das eben angesprochene), besagte Stoner-Einschüsse in ansonsten ruhigem Ambiente, angerauhter Indie Pop wird von Harmony Vocals versüßt, die auch in den anschließenden zwei rohen lauten Passagen fortgeführt werden, ein ganz zarter leiser akustischer Folksong mutiert zu entzückendem lyrischem/relaxtem zum Teil wunderbar singendem Songwriter- Rock… Und einer der längeren Stücke beginnt relativ dunkel und nackt und ein wenig unheimlich, wird dann, unter gewisser Spannung, repetitiv mit ausbrechender Desert Rock- Erlösung, vielleicht später Dream Syndicate verwandt (aber entfernt). Ein weiterer Turnaround gegen Ende: Zunächst eine sehr langsame reduzierte (elektrische) Ballade mit ansatzweise Americana-Flair (und geringen Red House Painters-Parallelen), um im programmatischen „John Prine On The Radio“ endgültig dort (in Americana-Gefilden) anzukommen (nun aber partiell akustisch, und bestechend schön!). |
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Kenny Barron - Beyond This Place |
CD und LP
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24er. Den hatte ich nun wirklich gar nicht mehr auf der Liste,
wenn´s um herausragende neue Jazz-Alben geht. Und innovative Ideen liefert der Piano-Veteran (hier großteils im Quintet spielend) natürlich auch nicht. Aber großartige Interpretationen, sowohl von alten Standards (The Nearness Of You von Hoagy Carmichael: Eine vollkommen klassische Ballade, die wie aus den 40ern oder 50ern entsprungen klingt, sowas von gefühlsstark, edel und brillant umgesetzt… melodisch exquisit, das Sax ganz große Klasse; Softly As In A Morning Sunrise: Die so oft gecoverte uralte Nummer von 1928, als originelle eigenständige Piano-Tour de force zwischen diversen Stühlen im Duo mit den Drums, gestochen, präzise, konzentriert; We See von Thelonious Monk, ein weiteres Duo, diesmal Piano/Bass, ein bisschen „runder“ und zugleich verspielter als das Original, super); als auch von eigenen älteren Stücken (mehrere seiner besten Kompositionen, aus den 70ern und 80ern, melodisch first class und gehaltvoll; z.B. Scratch: Extrem rasant, ungeheuer agil, elastisch und beweglich, Überraschungen, rhythmische Finessen ohne Ende, komplex und einfallsreich, unter Spannung, glänzende Soli u.a. vom Vibrafon, das in den meisten Stücken präsent ist, v.a. aber wiederum vom Sax – unglaublich frisch wirkender Be/Post/Free Bop mit freigeistigen Momenten, große Kunst; oder Innocence, ganz behutsam upgedateter zeitloser relativ bedächtiger feiner bis vorzüglicher Bop mit lebhaften Spitzen). Die übrigen Stücke (alles Originale, durchweg gut, aber nicht weltbewegend) lassen sich im eher stark traditionsverhaftetem (Hard) Bop- Bereich verorten, ob als nuancierte Ballade, relaxt oder angestochen; wobei dann doch ein Track noch einmal herausragt, Sunset von seiner 73er Solo-Debut-LP, thematisch bestechend, mit gewisser Sogwirkung und einem weiteren tollen Sax-Feature. Letzteres wird übrigens bedient von Immanuel Wilkins (dessen letzte eigene LP ja auch schon ziemlich grandios ausfiel), der einen großen Teil zur hohen Qualität dieses Albums beiträgt! Wie auch Spitzendrummer Jonathan Blake. 2 Bonustracks sind auf die limitierte Vinyl-Ausgabe beschränkt: Lebendiger variabler Hard Bop mit Lyrizismen, und ein Bass-Piano-Duo, nachdenklich bis manchmal beinahe meditativ (ein weiteres altes Cover). Ich hätte ein so exquisites Werk von ihm nicht mehr erwartet, sehr zu empfehlen! |
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Sun Ra - Excelsior Mill |
CD und LP
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24er Release, die Aufnahme stammt, nehme ich an, von 1984. Und ist
mir komplett unbekannt, ich weiß nicht, ob in irgendeiner Form schon mal veröffentlicht, eher nicht. Auf Modern Harmonic, auf dem Label sind schon einige tolle Alben vom Meister erschienen. Er spielt hier eine große Pfeifen-Orgel (Kirchenorgel), und zwar großteils solo (sehr punktuell scheinen eine Pauke bzw. andere Percussions hinzuzukommen). Ganz gern verwendet er tiefste (durchdringende!) Register und mittlere bis hohe parallel (oder doppelt tiefe). Einflüsse von moderner Klassik tauchen mehrfach zwischendurch auf (natürlich sehr individuell gestaltet), Jazz in auch nur halbwegs herkömmlicher Form ist dies auf jeden Fall nicht, auch kein Free Jazz. Avantgarde, okay, aber eminent eigen. Extremst große immer wieder enorm beeindruckende Klangpalette! Assoziationen: Majestätisch. Schroff, roh. Anrührend, fast lieblich (kurzzeitig). Grell. Tumultös. Space. Erhaben. Zerhackt. Dramatik. Rhythmisch nie stringent, eher „stop and go“, bzw. beständig wechselnd. Spooky… Ich kenne vielleicht 200 Alben von ihm, so eines ist mir noch nicht untergekommen, jedenfalls nicht in seiner Gesamtheit (bestimmte ähnliche Passagen schon). Zwei Stücke sind angegeben, namens Beyond Hiroshima und Excelsior, das Info konstatiert „CD contains the entire uncut show“, die 42 Minuten passen jedoch auch auf eine LP – so ganz werde ich daraus nicht schlau, vermute aber, dass beim Vinyl ca. 4 Minuten fehlen. Die Tapes (Mastertapes) sollen aus den Original-Archiven von Sun Ra stammen, klanglich war wohl nicht mehr möglich, jedenfalls ist der Sound nicht gerade optimal, aber hörbar (manchmal etwas verzerrt, zudem ein gewisser Rauschpegel). Sehr, sehr außergewöhnlich, selbst für seine Verhältnisse! |
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John Cale - POPtical Illusion |
CD und LP
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24er. Vor dem letzten Werk lag eine lange Pause, jetzt folgen
gleich 2 kurz nacheinander. Zwar nicht verschwunden, aber vermindert ist die Experimentierfreude vom Vorgänger („Mercy“), geblieben die massive Vorliebe für Synthies und überhaupt Tasten aller Art. Gewagt und sehr ungewöhnlich sind vor allem 2 Tracks; der eine beginnt als entspannter Pop mit angenehmen Harmony Vocals, ehe daraus urplötzlich harmonisch abgedrehte Avantgardismen (noch dazu rhythmisch vertrackte) entstehen, um anschließend, nach einer kurzen beides verbindenden Übergangsphase, zum Ursprungszustand zurückzukehren. Der andere entwickelt in allen Farben und Formen schillernde Tastenklänge, atmosphärisch, bedrohlich, dunkel, rhythmisch ankernd, repetitiv, sphärisch-spacy, verstörend, die behutsamen Beats formen sich irgendwann zu Grooves, der Gesang wechselt von poppig zu stark verfremdet, zum Schluss wird´s fast kakophonisch. Ansonsten: Edel-(Songwriter-)-Pop gebettet in ruhigen Groove, teils mehrstimmig, mit ein paar tollen kurzen gegen den Strich gebürsteten Spitzen in der Tasten-dominierten Begleitung, anderswo ist der Groove offensiver und eindeutiger (das Piano hämmert, der Gesang kommt melodisch sehr attraktiv bis eingängig, die Stimmung harmonisch) oder er bewegt sich irgendwo dazwischen, wobei die Instrumentierung eine Einheit mit den Vocals bildet (und ein Hauch Wehmut aufkommt) oder ein abermals (moderat/dezent) hämmerndes Piano erneut grundiert. Gelegentlich verzichtet Cale auf eine Rhythm Section (respektive Drum-Machines), in einem Fall wird dabei dennoch ein rhythmisches Bett geschaffen, über dem die hier besonders eindringlich- markante Stimme ihre absolut faszinierenden Bahnen zieht. (Noch) stärker elektronisch angelegte Nummern arbeiten mit manipuliertem Gesang (und besonders einfallsreichen und mehrschichtigen Synthies) oder kontrastieren atmosphärisch betonte Keyboards mit (selten) eingestreuten punktuellen harschen Gitarren. Ein monotoner Rocker setzt Letzteres nicht nur fort, sondern lässt sie, messerscharf und roh, dominieren. Weitere Songs betonen analog den oben beschriebenen Stücken ebenfalls den (zeitgenössisch konnotierten) Groove-Aspekt, um ihn explizit dem (im Verhältnis zu der jeweiligen Begleitung erheblich ruhiger wirkenden teils eminent melodiösen) Gesang gegenüberzustellen. Die 13 Tracks pendeln großteils um die 5 Minuten, oft wäre es in einem Blindtest schwierig, die Zeit ihrer Aufnahme zu bestimmen. Und die Qualität all dessen ist, wie beim Vorgänger, ausgesprochen hoch! |
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Kamasi Washington - Fearless Movement |
CD und LP
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24er, sein drittes „richtiges“ Werk, für seine Verhältnisse
schlappe 86 Minuten lang. Viele Gäste, u.a. Thundercat, George Clinton, Andre 3000, Gesangs-As Dwight Trible, Carlos Nino. Heißt auch, es gibt in 2 Stücken (von 12) Hip Hop-Infusionen/Raps (in einem gleichberechtigt mit Jazz-, Funk- und Soul-Input, im anderen, extrem rhythmisch, mächtig agil und eindringlich, im Verein mit zeitgenössischem Groove-Jazz und etwas Gospel-beeinflussten Vocals, nicht ohne Anleihen in den 60ern wie den 70ern; „Post-Jazz-Rock“?). Was besagte Vocals betrifft: Die tauchen öfters auf, teils vervielfältigt zu kleinen Chören, auch mal leicht soulig, oder inklusive dezenten Assoziationen in Richtung von z.B. Donald Byrds A New Perspective; Patrice Quinn singt vor allem (ausgezeichnet), die ja schon auf den anderen Kamasi-Alben dabei war. Klar passt das alles zum genreübergreifenden aktuellen (Jazz-) Markt, anbiedernd ist es nicht. Die verwendeten und partiell aktualisierten schon angesprochenen Traditionen beziehen sich auch woanders ganz gern auf die 60er wie die 70er, verschmelzen mit späteren Elementen zu einem organischen Ganzen, Melodik wie Rhythmik sind enorm reich, die Dichte und Intensität der Musik wird in regelmäßigen Abständen sehr hoch, besonders in den sich zu emotionalen Feuerwerken steigernden Bläser-Soli (gerade von Kamasis Tenorsax, häufig!). Apropos Dichte: Dabei spielt u.a. der Einsatz mehrerer Drummer/Perkussionisten eine Rolle. Und natürlich die 3-köpfige Bläserphalanx (zwischendurch kurz 4-köpfig). Zwar entwickelt sich phasenweise eine gewisse Opulenz, aber nicht in dem Maße wie bei „The Epic“, der Überwältigungseffekt bleibt aus. Dafür klingt so manches hier regelrecht erhaben, und/oder spirituell! Stilistisch ist einiges dabei, abgesehen von den schon erwähnten Elementen gibt´s u.a. (und wenn es nur punktuell ist) tanzenden Afro-Jazz, „Modern Jazz“ im (groovenden) Fluss, ganz wenige freie Sprengsel, mehrfach klare Coltrane-Anklänge (so ungefähr 1964 am liebsten), Fusion- Tendenzen und mittlere 70er (z.B. in Synthie-Soli), aber auch kurz die 80s jeweils mehr oder weniger upgedated, zwischendurch (nicht oft) sowohl lebhafte bewegliche zeitlose (sehr dezent soulige) als auch lyrische Balladen respektive ein zeitweise fast schwebendes bis meditatives Stück mit rhythmischen Komponenten (die irgendwann die Oberhand gewinnen), eine Art schneller elastischer Post Bop, leicht spacige (dabei elegante) Momente plus federleichtes Fließen voller Schönheit, 1x ein Hauch Latin, 2x sogar Rock-Einflüsse in der Rhythmik (in einem Fall in Kombination mit R´n´B; und im nicht nur für mich herausragendstem Track, „Prologue“, bei dem sich enormer Drive, poetische Klänge, ein glänzendes Stakkato-Solo der Trompete, ein genauso großartiges vom Tenorsax paaren). Und halt immer wieder Grooves verschiedener Art, teils gekoppelt mit ausgesprochen melodiösen Parts. Nichts für Jazz-Puristen, aber ein weiteres absolut exquisites Album von ihm, mit einigen tollen hymnischen Phasen, klare Empfehlung! |
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Andrew Bird Trio -Sunday Morning Put-On |
CD und LP
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24er. Trio mit Gästen (darunter Larry Goldings, Jeff Parker).
Stilistische sehr ungewohnt für ihn, aber genau solche Musik hat ihn nach eigenen Worten früh massiv beeinflusst. Nämlich (Vokal-) Jazz der 30er bis 50er! Und so interpretiert er hier reihenweise Klassiker der Zeit, von Musicals, Cole Porter, Duke Ellington, Rodgers & Hart etc., Great American Songbook. Mit einer kleinen Prise Uralt-Pop versehen, hier und da. Aber der Klang ist doch ein anderer. Live aufgenommen im Studio, klasse Sound, sehr luftig, optimaler dezenter Hall. Relativ bis stark reduziert arrangiert. Im Vordergrund sein Gesang und die Geige, Letztere agiert in höchstem Maße brillant, unglaublich feinziseliert, nuancenreich und variabel, voller Ideen, virtuos auf musikdienlichste Art, oft extrem filigran, aber auch mal etwas roh wirkend; wie er selbst und das Info richtig anmerken, macht das manchmal gar den Eindruck, als wäre die Geige an Bläser angelehnt. In vielen Punkten ähnliches lässt sich über seine Stimme sagen, absolut erstklassig, sehr sehr ausdrucksvoll! Die Drums begleiten mit gewisser Vorliebe ebenso feinfühlig, gelegentlich fast gestreichelt, dazu gesellt sich hier und da Parkers strikt im Jazz der 50er wurzelnde Gitarre, mehrfach sehr schön und effektvoll ein Vibrafon, wenig Piano. Anzumerken bleibt, dass die Geige immer wieder auch gezupft wird, kurze Soli auch in dieser Form beiträgt, und überhaupt oft superb soliert. Die Stücke sind teils in ihrer Anlage improvisationsgetrieben, vor allem die ruhigen Songs atmen eher „klassischen“ Jazz- Balladen-Geist der 40er (frühen 50er), nicht alles (aber so einiges) swingt traditionell, die Spannbreite reicht bis zu wenigstens ansatzweisen Proto-Bop-Anleihen (selten). Ein Album voller Gefühl und instrumentaler Klasse, ohne je laut zu werden, manches klingt richtig faszinierend, bei einem Track dachte ich kurz an Mose Allison, ein anderer (Caravan) arbeitet mit stärkeren Kontrasten und kurzen emotionalen Ausbrüchen. Zum Schluss bricht er in der einzigen (improvisierten) Eigenkomposition (ein Instrumental) aus dem Raster aus (schon durch die Länge, satte 9 Minuten), wirkt „heutig“, es entwickelt sich ein organischer wunderbarer Fluss, in flexibel-federnder Rhythmik – eigentlich ein einziges langes Geigensolo mit Begleitung. |
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Mdou Moctar - Funeral for Justice |
CD und LP
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24er. Die Musik dieser Gruppe aus dem Niger ist ja nur bedingt
vergleichbar mit Tinariwen oder Tamikrest, selbst die rockigen Alben von Bombino nehmen sich demgegenüber fast zahm aus. Zurzeit jedenfalls sind sie für mich die beste Tuareg-Band überhaupt. Die Kernelemente des typischen Tuareg-(„Desert Blues“-) Sounds sind nach wie vor vorhanden, die Melodik/Harmonik zum Beispiel, wenn auch gern modifiziert oder abgeschwächt, siehe die Verwendung des Call-Response-Prinzips im Gesang oder die Art der Rhythmik. War ihre Auslegung bislang massiv rockiger Natur, ist sie nun in 1,2 Fällen schon beinahe punkig zu nennen, der Drive ist immer wieder enorm, die Dichte, Schärfe, Härte und Intensität, die Power ebenso – das war zwar beim großartigen „Afrique Victime“-Album schon zu hören, aber sie treiben es jetzt noch mehr auf die Spitze, gewisse Verfeinerungen des Vorgängers (Psychedelic-Elemente, Hall, poetische Momente…) werden stark verringert (ohne gänzlich zu verschwinden). Allein das unglaublich furiose, brennende Gitarrenspiel samt Feedbacks und Distortion ist sensationell (mittlerweile konnte man schon die Klassifizierung „bester Rockgitarrist der Welt“ oder den Begriff „Gitarrengott“ lesen). Im Titeltrack drehen sie auf Höchstgeschwindigkeit, überschlagen sich beinahe (in toller Rhythmik!), anderswo gibt es wilde Schredderorgien der Gitarre (in nicht mehr ganz so schneller Gangart), zwei Stücke weiter wird das Geschredder von massivem Tremolo ersetzt, mehr rhythmische Akzentuierungen verwendet, auch Breaks (mit gleichzeitig hymnischen Phasen obendrauf). Das alles korreliert perfekt mit diversen Texten, politischer und „expliziter“ denn je, wütend, partiell knallhart, gelegentlich macht es den Eindruck, als ob Moctar seine Wut auf seine Gitarre überträgt. Steigerungen in diese Richtung sind musikalisch eigentlich nicht mehr vorstellbar. Es gibt aber Ausnahmen, bzw. Relativierungen: Zweimal dann doch wieder Psychedelic-Einfluß (nach eher „klassischem“ Start a la Tamikrest inklusive klasse Effektgitarren, dann aber doch wieder beschleunigt; oder in Kombination mit kurzzeitig ausgesprochen wilden Momenten sowie überraschendem Rhythmuswechsel mittendrin); zwei Tracks setzen (zusätzlich zu den elektrischen) Akustikgitarren ein, in nur gemäßigt schneller Gangart, verzichten gar kurz auf die Drums (von Percussion ersetzt), melodisch jeweils ausgesprochen schön gestaltet, teils mit bestechendem Trance-Charakter, mehr Call- Response-Vocals; oder inklusive reizvoller Rhythmusverschiebungen mit ergänzender rollender Percussion, ebenfalls Trance-artig im Ergebnis. Alles in allem: Ein fantastisches Werk, große dicke Empfehlung! |
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Brian
Eno / Holger Czukay / J. Peter Schwalm - Sushi. Roti. Reibekuchen
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CD und LP
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24er. Ein singulärer unveröffentlichter Live-Auftritt von 1998,
wobei sich zu den 3 Musikern noch 2 Mitglieder von Schwalms Band Slopp Shop gesellen. Mehr oder weniger handelt es sich um improvisierte Jams, komplett außerhalb jeglicher Rock-Strukturen, resultierend in 5 ausgedehnten Stücken zwischen 7 und 17 Minuten, das hier sind die rausgepickten Highlights eines 3-stündigen Konzerts. Resultierend z.B. in einer Art Kombination von Avantgarde- Elektronik, Samples, hypnotischen Understatement-Grooves, geringen Spuren von Can, in einem Fall kommen in meinen Ohren noch ein Hauch frühe „Kosmische Kuriere“ in Schräglage hinzu, im anderen muten die Electronics kurzzeitig beinahe wie Didgeridoos an. Oder Electronic Cosmic Ambient mit „sanftem“ punktuellem Industrial-Bonus, in der 2. Hälfte entsteht ein sachter diffiziler Rhythmus, der sich langsam durchsetzt. Das längste Stück vereint nervöse schnelle Club-Beats (D´n´B, über lange Strecken, vielleicht ein Hauch beeinflusst von Ethno-Rhythmik??), dunkle sphärische bis dräuende Electronics bzw. frühe deutsche Avant-Elektronik, Space, Samples und Dub-Spuren. Schließlich pure Elektronik- Avantgarde ohne Fixpunkte, die sich erst relativ spät durch die einsetzende Rhythmik ergeben, wie üblich weiterer Input in Form von typischen Czukay-Radio-Samples, das Ganze durchsetzt von Space-Electronics. Auf Grönland, also kein Semi-Bootleg! |
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Jesus & Mary Chain - Glasgow Eyes |
CD und LP
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24er, erst ihre 2. Studio-LP nach der Quasi-Reunion 2007. 80s-Post
Punk-Ahnungen verbinden sich mit zeitlos-zeitgenössischem Indie Pop und ziemlich faszinierenden dunklen atmosphärischen Klängen. 80s Electro und punktuelle sägende Gitarren (-Smashes), relativ eingängig ummantelt. 60s-Reminiszenzen, ohne auf den damaligen Sound zurückzugreifen, Pop-Elemente inklusive. Eher minimalistischer Post Wave, pochend und sehr geradlinig. Partielle Rückreisen zu ihren Anfängen, zum Beispiel recht düster oder schön zähflüssig, anderswo im Background schillernd und leicht psychedelisch, auf jeden Fall bestechend hypnotisch. Speedy Post Punk + etwas Noise, Spuren von Suicide und Stooges, Electro + Space. Mehr Psychedelic-Spritzer, melodisch und wirkungsvoll aufbereitet. Glitzernde Synth- Einlagen + fette distorted/fuzzy Gitarren im Indie Rock-Kontext mit Pop-Untertönen. Motorische Kraut-Anleihen im Pop-artigen Gewand. Kinks-Einfluss (?) trifft Indie Pop und Groove. Und zwischendurch Velvet Underground. Der Synth-Einsatz ist übrigens einigermaßen obligatorisch. |
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Bevis Frond - Focus On Nature |
CD und LP
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24er. Wie schon beim tollen Vorgänger (Little Eden) wieder sehr
viele Stücke (diesmal 19, in 75 Minuten), und wieder bringen es davon nur 3 auf mehr als 5 Minuten (maximal 8) – für ihre Verhältnisse erneut sehr songorientiert, über weite Strecken. Mit gegenüber den alten Platten deutlich verringertem Psyche-Faktor. Dafür eine gelungene sehr bunte Mischung: Diverse deutlich an 70s-Rock angelehnte Stücke in recht handfest und bodenständig, je 1x geringe Psychedelic-Spuren bzw. etwas stärkere Prog-Anleihen, in einem Fall zeitweise leicht elegisch. Ebenfalls mehrere teil- (oder gar pur) akustische Nummern, ob ganz ruhig (eine Art Indie-Folk-Song), im Folk-Rock-Terrain unterschiedlicher Couleur, oder eher Folk Pop respektive Akustik-Rock. Ein treibender intensiver wie kompakter Guitar-Rocker mit besonders tollem Riff, aber auch rasantem ausgiebigem Solo. Hoch melodiöser Pop Rock mit 60s-Elementen. Etwas Wipers-Touch in kurz und bündig und voller Drive. Die entspannten Who in der 1. Hälfte der 70er. Dezente Tom Petty-Parallelen (2x). Purer Neo-60s-Garage Punk. Ambitionierter melodischer Rock wie frisch aus dem England von 1970 importiert. Frühe REM streifend samt sehr feinem psychedelischem Guitar-Feature, das angenehmst an 8 Miles High erinnert. Eine Tendenz zu frühem Pop Punk. Oder ein Hauch Wilco (mittlere bis spätere Phase). Gefällt mir insgesamt wieder sehr, gerade auch die vielen konzentrierten/kurzen verschiedenartigen Gitarren-Soli. |
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Sam Lee - Songdreaming |
CD und LP
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24er. Die regulären drei bisherigen Alben des Londoner
Singer-Songwriters landeten allesamt in meinen Jahres-Charts, und das wird bei Album Nummer 4 nicht anders sein. Seine Wurzeln kommen aus dem britischen Folk, aber es gibt nur ganz wenige, die damit so einfallsreich, so innovativ, so originär umgehen, mit mittlerweile sofort wiedererkennbarem und in jedem Fall fabelhaftem Ergebnis. Die Musik atmet komplett freien Geist, insofern vielleicht mit den ähnlich famosen The Gloaming vergleichbar, oder mit gewissen Platten von Alasdair Roberts, was das „offene“ Harmonieverständnis betrifft, vielleicht mit Richard Thompson, aber er klingt ganz anders, eben völlig eigen. Bill Callahan mit allerdings (auch stilistisch) total anderen Vorzeichen fällt mir noch ein. Er besitzt eine (ebenfalls sehr eigene) ungemein angenehme und berührende Stimme, die Instrumente (im Wesentlichen Piano, Geige bzw. eine kleine Streichergruppe, akustische und E-Gitarre, teils Holzbläser, sporadisch Dulcimer, Qanun, Nyckelharpa, Flöte, mehrfach ein Chor) verschwimmen phasenweise, fließen ineinander, oft ziemlich süffig und edel arrangiert, die Rhythm Section agiert bestechend feinfühlig und differenziert. Wobei die E-Gitarre schon mal ansatzweise einen Drone-artigen Charakter annimmt, kurzzeitig. Zu den Folkeinflüssen kommt so etwas wie eine Prise Songwriter-Pop, der Gestus/die Herangehensweise/der Spirit beinhalten irgendwie Spuren (nicht mehr und auch nur manchmal) vom Jazz (aber nichts klingt auch nur ansatzweise wirklich jazzig, mit einer Ausnahme). Bei den meisten Stücken entwickelt sich aus oft leisen/zarten Anfängen ganz allmählich eine gewisse Steigerung, mal mehr, mal weniger ausgeprägt, vor allem Dichte und Intensität nehmen zu, gelegentlich massiv (um gegen Ende oder zwischendurch oftmals wieder abzuklingen). Eine weitere auffällige streckenweise fast verblüffende und absolut reizvolle Besonderheit: Der Kontrast zwischen dem relativ ruhigen, poetischen, teils leicht melancholischen und vor allem gedehnten bis „verlangsamten“ Gesang und der agileren Instrumentierung, gerade auch, was die Tempi betrifft (die zu allem Überfluss selbst zwischen den einzelnen Instrumenten partiell kontrastieren) – und alles wirkt dennoch völlig organisch! Noch ein paar Anmerkungen zu den einzelnen Stücken: Frei(geistig) fließend mit dezent rockigem Flair. Stärker traditionell ausgerichteter ruhiger spektakulär schöner Folk, aber auch mit effektvoll verzerrten Gitarren. Tolle Rhythmik und enorm vielschichtig, hypnotisierend und packend. Ein bisschen elegisch. Durchweg sachte- balladesk. Zeitlupenhaft anfangs, dann unglaublich erhaben, unglaublich faszinierend, und tatsächlich punktuell/kurzzeitig etwas jazzig (die angesprochene Ausnahme). Ein weiterer mehr traditionell ausgerichteter Folk-Song (mächtig langsam). Eine reduziert arrangierte anrührende klassische Folk-Ballade… Es gibt übrigens keine richtig kurzen Tracks, die Musik lässt sich Zeit zur Entfaltung. Und ein explizites durchgehendes Thema hat sie auch, die Natur bzw. Naturverbundenheit. Ein ganz großartiges Werk, für mich ein absolutes Muß. |
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Adrienne Lenker - Bright Future |
CD und LP
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24er. Die Sängerin (und Kopf) von Big Thief mit einer exquisiten
Solo-LP (ihrer besten bislang). Die Umstände der Aufnahmen sind offensichtlich, deutlich zu hören: Live im analogen Studio mit geringstmöglichem Equipment und Aufwand, in einem Take eingespielt, spontan, direkt und ehrlich, teilweise (auch mal stark) angerauht, komplett ohne Rhythm Section. Nach „Bright Future“ hört sich das Album weniger an, eine sachte Form von Melancholie durchzieht so einige Stücke. Meist sparsam, aber unterschiedlich instrumentiert, Akustik-Gitarre, Geige und Piano werden eingesetzt (nur hier und da sind alle gemeinsam zu hören), zwischendurch zudem Bass oder Banjo, 2x taucht eine geringfügig elektrifizierte Gitarre auf. Und mehrfach sehr schöne relativ lose Harmony Vocals. Ein paar Tracks funktionieren maximal reduziert, als Songwriter Folk einzig auf Piano-Begleitung beruhend (tropfend, nackt und tief berührend), nur mit Gitarre in sanft und völlig schlicht oder bedächtig und irgendwie Americana-typisch. Ansonsten: Etwas beschwingter; wobei sich zum Folk eine dezent country-eske Note gesellt (mehrfach, in einem Fall auch in ruhiger Gangart), oder, ohne Country-Einfluss, die oben angesprochene E-Gitarre trocken und enorm raffiniert und agil dominiert, in einer so bislang selten gehörten fast originären Form! Noch lebhafter/extrovertierter klingt eine alte beliebte Big Thief-Nummer (Vampire Empire), eckig, kantig und roh gespielt, in ebensolcher Rhythmik, das Zusammenspielt von Geige, Piano und Akustikgitarre frappierend. Zarte beinahe andächtige sowie relaxt fließende und sanfte völlig schlichte Folk-Songs ergänzen eher konventionell, aber sehr schön, ein Stück atmet sehnsüchtigen Geist, und den Höhepunkt (für mich jedenfalls) bildet der letzte Track: Außerordentlich intensiv mit einfachsten Mitteln, ganz leicht effektverstärkt, mit faszinierender Sogwirkung. Superber Gesang ohne jeden Schnörkel und eine klare Empfehlung! |
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Julia Holter - Something In The Room She Moves |
CD und LP (ab 22.3.24)
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24er. Endlich ein neues Werk von ihr. Das letzte (Aviary) gehörte
2018 zu meinen absoluten Lieblingsalben. Schwer begeistert bin ich auch hiervon, aber der Charakter ist ein anderer. Es beginnt mit einer gewagten und partiell verblüffenden Kombination aus betörendem verhalltem Gesang und atmosphärisch begeisternden Sounds jenseits aller üblichen Zuschreibungen; kurze Groove-Ansätze treffen auf kompliziertere Rhythmik und eher schwebende Phasen, etwas Ethno-mäßige kurzzeitig auch atonale Flöten (die in diesem Kontext gewissermaßen eine erdende Funktion erfüllen), licht-leichte Keyboardschwaden (Lap Steel?), zeitweise kommt die Musik fast zum Stillstand/geht in Zeitlupen-Zustände über (ein bisschen halluzinogen gar). Passt nicht zusammen? Doch, schlussendlich schon, und wie – packend! Viel Hall und eine tolle Atmosphäre begleiten auch viele andere Stücke. Wenn z.B. (2x) Jazzelemente in frei gestalteten Songwriter-Rahmen übertragen werden, balladesk bis slow motion bis behutsam vorangeschoben, zwischendurch teils absolute Ruhephasen, alles vor allem getragen/kongenial begleitet von (manchmal sehr agil) umherstreifender Trompete, schwerelosem E-Piano, Sax und Flöte. Und einem, auffällig hier und auch im Folgenden, fretless Bass. Es geht ganz bezaubernd weiter, zart und langsam, sinnlich gesungen, nur von E-Piano getupft ergänzt. Ein reines Vokalstück (mehrere Sängerinnen) atmet sowohl reine leise Schönheit als auch experimentelle Ideen, für Momente dachte ich an wagemutige/“progressive“ nordisch-indigene Musik (auch klasse). Es folgen u.a. zwei Art Pop-Nummern (ein vorbeischauender Freund meinte „Kate Bush“, naja), die eine unerbittlich vorwärtsstrebend/moderat repetitiv anmutend, mit Flöten-Akzenten und immens feinen variabel agierenden Orgel-(artigen?) Klängen veredelt (fast hypnotisch!), die andere elastisch und relativ dezent rhythmisiert, im Raum schwirren aparte Klänge zwischen Wohlklang und kurz fremdartig-reizvoll anmutend herum, eingefasst in einen ziemlich konventionellen melodiösen Songrahmen. Dazwischen steht ein rhythmusloses von Orgel grundiertes kontemplativ-meditatives wunderschönes Klanggemälde voll herrlicher verschiedenartiger Sounds (u.a. von Cello oder Geige, Flöte, Synthie, teils kaum identifizierbar). „Talking To The Whisper“ schließlich gehört für mich zu den Highlights (unter ausschließlich exquisiten Songs): Irgendwo im Spannungsfeld von Edel/Anspruchs-Pop, Jazz und kakophonischer Avantgarde, rhythmisch attraktiv unterlegt zunächst, frei und recht wild ausfransend, eine längere bestechende sanfte lyrische freigeistige Ruhephase folgt, ehe freies Spiel abschließt (was mich entfernt an die Avantgarde-Phasen der frühen Van Der Graaf Generator erinnert). Eine große Empfehlung natürlich! |
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Idles - Tangk |
CD und LP
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24er. Jedes Mal bin ich gespannt auf ihre Alben, jedes Mal gibt´s
die eine oder andere Überraschung. Gleich 3 Songs wirken erstaunlich „sanft“ und atmosphärisch stark, leicht unter Spannung stehend oder massiv verdunkelt und phasenweise moderat dröhnend (um in diesem Fall irgendwie versöhnlich auszuklingen); „Indie Dark Pop“? 2x ist aggressiver relativ düsterer treibend-pumpender Post Punk zu vernehmen, oder aber skelettierter mit starken Bezügen zu den frühen 80ern. Bedrohlicher Post Wave, bei dem der Hörer vergeblich auf einen Ausbruch wartet, mutet eher „heutig“ an. Ein Stück, das ansonsten radikal abgespeckten trockenen Sound zelebriert, fasziniert in den Refrains auf beinahe (verstörend) psychedelisch anmutende Weise, toll flirrend-verzerrt. 2 Tracks klingen für mich ein bisschen Gothic-artig, zugleich melodiös und werden für ihre Verhältnisse (zumindest partiell) einfühlsam gesungen; einer davon erinnert am Ende leicht an die frühen Wipers. Eine schroffe punkige riffbetonte Nummer ist nicht so weit weg von den ganz frühen Gang Of 4. Und irgendwo mittendrin dachte ich kurz an Radiohead. |
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The Dead South - Chains & Stakes |
CD und LP (ab 9.2.24)
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24er. Vierte (?) reguläre Studio-LP der Kanadier, die von Anfang
an glänzten, auch mit ihren „Zwischendurch-Projekten“. Natürlich, sie gehören zu den doch erstaunlich vielen (und definitiv besten) Bluegrass-Bands heutzutage, die dafür sorgen, dass diese Szene momentan stilistisch so weit aufgefächert wird wie wohl noch nie zuvor, und das auf ungemein hohem Level. Ihre Musik macht einfach enormen Spaß, und blieb von Anfang an nicht in ausgetretenen Pfaden stecken, erweitert das Spektrum stetig. Auch hier, beispielsweise: Ausgesprochen variationsreicher stark (v.a. rhythmisch) modifizierter respektive massiv (und klasse) akzentuierter Bluegrass mit wunderbarem emotionalem Gesang, leisem Southern Gothic-Feeling, viel Drive und mehrfach die Stimmung wechselnd. Eine modernisierte Appalachen-Ballade. Ein paar wenige großteils oder wenigstens halbwegs traditionsliebend gespielte Songs, trotz partiell genreuntypischer/unorthodoxer Harmonien. Frischer unkonventioneller Bluegrass mit unterschwellig aufblitzendem Balkan-Folk (?)-Einfluss, inklusive bluesiger Einleitung und melodisch außerordentlich reizvoll. Eine Art „Indie- Mountain Folk, ohne strikt auf alten Gepflogenheiten zu bestehen. 2-step-Bluegrass-Folk voller instrumentaler Feinheiten und Köstlichkeiten und Überraschungen zwischen Tempo und Poesie. 2x ein Mix aus Bluegrass- und Songwriter-Country-Elementen, einmal plus wiederum Southern-Gothic-Tupfern, rhythmisch ganz toll, ausdrucksstark, superber 2- stimmiger Gesang, scharf geschnitten, und fast schon eine ungewohnt rockige Ader phasenweise; und einmal balladesk. Zwischendurch gibt´s 3 sparsam gehaltene kurze Instrumentals, zarter filigraner Gitarren-Folk, dunkel-melancholisch mit auffälligem Feature ihres berühmten Cello-Basses, sowie unbestimmbarer Folk. Bei alledem sorgen auch die Arrangements für jede Menge Abwechslung, zwar geprägt von den Bluegrass-typischen Instrumenten (Gitarre, Bass, Mandoline, Banjo, Geige, sehr wenig Fiddle, keine Drums), jedoch immer wieder anders zusammengesetzt, selten sind alle beteiligt, mal 2 Gitarren (oder Mandolinen), dazu kommen regelmäßig exquisite Harmony Vocals. Dicke Empfehlung! |
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Mitch Ryder - The Roff Is On Fire |
2CD und 2LP (ab 26.1.24)
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24er. Den hatte ich nun wirklich gar nicht mehr auf dem Schirm.
Live 2019 und 2020 in Dresden, Berlin und Bonn mit seiner bestens eingespielten Tourband, Engerling. Überraschungen gibt es nicht, aber wozu auch. Die Stücke sind teils jahrzehntelang in seinem Programm, eigene und Covers (z.B. Ain´t Nobody White, Freezin´ In Hell, Tuff Enuff von den Fabulous Thunderbirds, Many Rivers To Cross, Subterranean Homesick Blues, Red Scar Eyes, Tough Kid), die Musik pendelt zwischen hartem relativ kantigem/rauhem gitarrenbetontem old-fashioned Rock mit signifikanter R´n´B/Blues-Grundierung, bodenständigem Classic Rock (beides vor allem in den vornehmlich frühen 70ern beheimatet) und einem längerem Balladen-Block (mal rockig und recht derb, meist eher gefühlsbetont mit manchmal kurzen Crescendi, gern gemäßigt rootsig, bluesig respektive etwas soulig, gelegentlich übernimmt dabei das Piano oder die Orgel die Führungsrolle – Tasten, auch E-Piano, sind zwar omnipräsent, sonst jedoch eher im Background gehalten). Sporadisch bewegt er sich fast schon in Hard Rock- respektive Blues-Rock-Nähe, die Gitarren bekommen genug Raum für (eher kurze, dafür meist mehrere) Soli in den meisten Tracks, inklusive Distortion, Wah-Wah- Parts. Überraschend taucht in 2 Stücken ein Sax auf, z.B. im 15-minütigen Roots-rockigem Soul Kitchen (of Doors-Fame), das die Intensität rauf und runter fährt. Und seine Stimme ist trotz des hohen Alters immer noch intakt, sehr rauh. |
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Ja, Panik - Don't Play With The Rich Kids |
CD und LP (ab 2.2.24)
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24er der Österreicher. Gleich ein richtig guter Start: Hymnischer
(Indie) Rock nicht ohne Pop- Elemente, vielschichtig in mehrfacher Hinsicht (was sich im Verlauf der Platte wiederholt, zumindest, was die instrumentale Seite betrifft, mitsamt einer beträchtlichen und effektiven Dichte in den Arrangements), in Teilen (aber nicht komplett) 90s-angelehnt. Danach höre ich u.a. 80s-Post Punk-Elemente unter Indie Pop-Einfluß, in einem Fall recht catchy (und klasse); Scharfe schneidende aggressive Gitarren gekoppelt mit Vocals, die (auch im Backing) eher Pop-affin klingen samt dezentem Bowie-Touch (der wird später noch einmal zitiert); einen ruhigen akustisch-elektrischen Song, der instrumental partiell ganz leicht experimentell und modern-psychedelisch ausfällt; ansatzweise elegischen später durch die Gitarre rohen bis relativ wüsten Rock; zeitlosen geradezu euphorischen melodischen Rock; Groove Rock mit Pop-Bezug, ein bisschen wie um 1990 herum; und schließlich einen lange Zeit ruhigen und sehr atmosphärischen 12-Minüter, der sich nach 5 Minuten zu einem frenetischen unerhört verdichteten intensiven Gitarren-Tour-de-force-Jam auswächst (toll!). Insgesamt wird die Gitarrenbetonung nicht selten durchbrochen, das bandtypische Durcheinander von Englisch und Deutsch beibehalten, zwischendurch ganz gern kurze (einmal auch durchgängig) recht leise (teil-) akustische Momente eingebaut. Im Pressetext ist übrigens zweimal von Blur die Rede, nicht ganz verkehrt… |
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Ancient Infinity Orchestra - River Of Light |
2CD
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23er. Schon wieder ein neuer Stern der in den letzten Jahren so
mächtig erblühenden englischen Jazz-Szene, diesmal aus Leeds. Innovativ wirkt bei dieser Debut-LP zwar gar nichts, aber die Musik ist herzerwärmend und von großer Schönheit, wozu ein beeindruckend umfangreiches Arsenal an Instrumenten beiträgt: Zwei Saxofone (gelegentlich auch Bass- Klarinette oder Sopran-Sax), eine Oboe, eine Flöte, die Rhythm Section natürlich und ein ordnendes Piano bilden das Grundgerüst, hinzu gesellen sich eher punktuell Cello und Geige, eine Harfe, ein Chor, das Zusammenspielt ist sehr sehr konzentriert! Und der Geist von Pharoah Sanders und John Coltrane unverkennbar. Allerdings nicht in allen Aspekten präsent, denn deren ekstatische/radikale Elemente und Ausbrüche werden fast gänzlich gemieden, die Musik klingt fast komplett eher ruhig, ohne auf freieres Spiel zu verzichten – in dann getragener rhythmusloser oft ergötzlich anmutender und bestechend melodischer Form. Viele tief spirituell gefärbte Stücke (10 an der Zahl, für gewöhnlich mittel-lange), im herrlich leichtfüßigen total relaxten Fluss, in einer Art offenem und sehr dezentem (teilweise filigranem) Groove-Format, mehrfach inklusive unaufdringlichen kongenialen Ostinati, phasenweise völlig in sich ruhend und eminent feinfühlig bis vollkommen friedlich, ab und zu kurzzeitig ansatzweise orchestral. Einige Tracks geraten etwas reduzierter/abgespeckter, verzichten gar über weite Strecken auf die Bläser (oder die Drums), der Chor erinnert 2,3-mal ein wenig an Kamasi Washington (jedoch gemäßigter eingesetzt; in einer Nummer verwenden sie eine weibliche Solo-Stimme), die lyrische Note ist nicht selten beträchtlich. „Arc Of The Sun“ überrascht mit dem Einsatz einer chinesischen Zither, die zunächst für einen deutlich fernöstlichen Charakter sorgt (plus Harmonium?!), in meditativ-getragener beinahe festlicher Atmosphäre, ehe die vielstimmige Bläser-Phalanx einsetzt mit auch dunkleren bis ein kleines bisschen dramatischen Farben – fabelhaft! Genauso großartig: Der Titeltrack, der zeitweise fast wie in Trance/Zeitlupe erscheint, später freigeistiger sowie leicht melancholisch und stärker in (diesmal non-spiritueller) 60s-Jazz-Tradition verwurzelt, melodisch absolut toll und wunderwunderschön, alles wird aufgefahren, der Chor, Tenor- und Sopran-Sax, Bassklarinette und Flöte und Geige. Zum Schluss wird auch im Titel („Pharoah Sings“) direkt auf Sanders Bezug genommen, allerdings erinnert gerade dort nicht gar so viel an Pharoah, wenn, dann höchstens an den späteren, balladesken, etwas konventionelleren. Klasse Album jedenfalls, bei dem ich mehrfach an Nat Birchall dachte (der momentan bei mir rauf und runter läuft). |
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Violent Femmes - Same Title (Deluxe) |
2CD
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23er Reissue, neu remastered. Als diese Platte, ihr Debut, vor 40
Jahren rauskam, war fast mein ganzer Freundeskreis (ich auch) hin und weg. Derart individuelle, originelle und dabei in der Struktur eigentlich ganz einfache und zudem extrem spontane Musik gab´s selbst damals nur selten, so frisch und unmittelbar packend klang fast nichts anderes – auch, weil gleich reihenweise tolle Songs enthalten waren, war ein unsterblicher Klassiker entstanden, der noch heute seine Wirkung entfaltet, und stilistisch nur schwer zu greifen ist. Weil seine Bestandteile (Akustik-Rock, Folk- und Punk-Elemente, „Roots-Wave Rock“ oder so ähnlich und was weiß ich noch alles, eine Prise Jonathan Richman, samt ähnlich gelagertem erheblichem Charme, und sogar Jazz-Spritzer, durch den Bass) so ungewöhnlich, aber auch ganz natürlich und organisch wirkend zusammengesetzt wurden, ohne vor gelegentlichen Dissonanzen und effektvoll wilden Parts/Kurz-Soli zurückzuschrecken, die einfach untrennbar dazugehören. Musik, die ungeheuer viel Spaß macht, auch heute noch. Und das in strikt reduzierter Form, die Gitarre vor allem akustisch (aber auch sehr dezent verstärkt, ohne alle Effekte gespielt), akustischer wie elektrischer mehrfach auffälliger und agiler Bass, ein extrem minimalistisches Schlagzeug reichen (sporadisch tauchen kurz Geige, Xylophon, Piano auf). Roh wie zärtlich. Enorme Spielfreude und ebensolcher Drive, reichlich Dynamik, packende Melodien kommen hinzu. Diese Ausgabe glänzt zudem mit einer Menge Bonusmaterial: Gimme The Car und Ugly, die auf einigen vorherigen Ausgaben schon drauf waren. 9 Demos, die sich in der Grundstruktur gegenüber den fertigen Stücken wenig unterscheiden, in Feinheiten und Details allerdings schon, 3 davon sind non-Album-Tracks (2 davon mit Roots- bzw. Rock´n´Roll-Geist der 50er gesegnet), 2 erschienen verändert auf Alben zehn Jahre später. Und schließlich 13 Live-Tracks von 3 Konzerten (8 von 1981, also weit vor der Debut- LP, 5 von Anfang 1983, kurz vor dieser Platte), von denen wiederum meines Wissens 4 Songs auf keiner regulären Platte erschienen (auch nicht auf der „Add It Up“-Compilation), nämlich Break Song, Her Television, How Do You Say Goodbye und In Style. 2 kamen erst auf ihrer 2. LP (Hallowed Ground) raus, darunter das gloriose Country Death Song (und auch Never Tell ist eine sehr gute Nummer), einer auf LP Nr. 3. Die Live-Versionen unterscheiden sich partiell deutlich stärker von der LP als die Demos (man höre die Gitarren, die im späteren Verlauf ebenfalls ein paar Mal elektrifiziert werden), kommen phasenweise eminent schroff, scharf, oft wilder, aggressiver. Also, sollte jemand die Original-LP nicht besitzen/kennen: Ganz ganz große Empfehlung. Für Fans dank des Bonusmaterials ebenfalls reizvoll |
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The Kinks - The Journey Part 2 |
CD und LP
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23er. Ja, schon klar, Compilations gibt´s von ihnen reichlich.
Trotzdem: Bei diesem neuen Sampler führte Ray Davies persönlich Regie, suchte die Songs aus, das Remastering passt (großteils 2023 erfolgt), die Zusammenstellung ist keine weitere „Greatest Hits“. Auch wenn einige großartige Singles dabei sind (u.a. Till The End Of The Day, Sunny Afternoon, Lola, Dedicated Follower Of Fashion, A Well Respected Man, auch 20th Century Man). Hinzu kommen einige weitere non-LP-A-Seiten, aus den (früheren) 70ern. Apropos: Die Aufnahmen stammen aus der Zeit von 1965-1975, die von 1974 und ´75 wären (mit einer Ausnahme) nicht nötig gewesen, der Löwenanteil stammt von 1966-1970 (viele von Something Else, The Village Green Preservation Society, dem non-USA-Sampler Sunny Afternoon, 2 auch von der Lola-Versus…-LP, neben dem Titeltrack das tolle This Time Tomorrow nicht nur neu abgemischt, auch als Alternativ-Fassung, nach dem 1. Hören organischer und sogar noch etwas besser). Von den erwähnten Alben sind die meisten der besten reinen LP-Tracks enthalten, auch einige 1st class-Single-B-Seiten sind dabei, klasse finde ich das unsterbliche David Watts, Creeping Jean, Animal Farm, Scrapheap City, Two Sisters, See My Friends, Wicked Annabella, Where Are They Now, Alcohol von Muswell Hillbillies, Susanna´s Still Alive, I Need You, Sitting By The Riverside und Big Sky. 3 unveröffentlichte Liveaufnahmen stammen von 1975, 2 (?) Outtakes komplettieren, 7 neue Mixe hat Davies selbst vorgenommen. Manche Platten aus dem vorgegebenen Zeitrahmen wurden gar nicht berücksichtigt (Arthur, The Great Lost Kinks Album, Everybody´s In Showbiz, kein Verlust). Der Kommentar von Ray Davies: „Ich habe viel über mich selbst gelernt, als ich das Album zusammenstellte“. Ein sehr gelungenes! |
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Bill Ryder-Jones - Lechyd Da |
CD und LP
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24er. Nach 5 Jahren ein neues Solo-Werk vom ehemaligen The
Coral-Gitarristen. Von kleiner akustischer transparent und luftig wirkender Band bis zu opulenten Sounds der Streicher und/oder den Backing-Chören (sporadisch Bläsern) sowie Solo-Parts (nur Piano bzw. Akustikgitarre) auf der anderen Seite. Von melancholisch und zärtlich bis beschwingt (schon mal mitten im Stück wechselnd samt Rhythmik/Tempo, auch mehrfach). Akustisch wie dezent elektrisch. Von Folk Pop zu purem Songwriter-Pop (meinetwegen Indie Pop). Zerbrechlich wie sanft umhüllend, elegisch wie geradezu symphonisch himmelhoch jauchzend, oder in getragenem etwas wehmütigem Ambiente. Komischerweise funktioniert jede Gangart, jede Ausrichtung (die er in den einzelnen Tracks partiell mischt, ohne Kontraste mit dem Brecheisen erzwingen zu wollen, manchmal fallen sie trotzdem recht massiv aus). Die in den allermeisten Stücken (aber längst nicht ständig) präsenten Streicher gefallen mir großteils sehr, auch wenn sie kurzzeitig überborden, effektiv wirkt auch der Einsatz eines zusätzlich rhythmisierenden Cellos in einer Nummer. Alle Arten von Tasteninstrumenten werden eingesetzt, die akustischen überwiegen klar die elektrischen Gitarren, die vielen Chöre stammen oft von Kindern (was in diesem Kontext einen eindeutigen Reiz besitzt!). Dass all dies zusammenpasst, liegt natürlich in einem starken Maße auch an dem songwriterischen Gehalt! |
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The Vaccines - Pick-Up Full Of Pink Carnations |
CD und LP
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24er der Engländer. Indie-Guitar Rock der melodischsten Sorte,
sprich, mit hohen Pop- Qualitäten. Oder auch: Gitarren-Power Pop, zuweilen euphorisierend, mit hart rockendem Rückgrat. Hymnenhafte Melodien gibt´s diverse, einige süchtig machende Hooks, eine Menge guter Laune (trotz teils gegenteiliger Themen in den Texten) und mehrfach Anleihen in den 80ern, die zum einen durch an die Frühphase von Cure erinnernde Gitarren erzeugt werden, zum anderen durch (beileibe nicht in jedem Song auftauchende) Tasten, für gewöhnlich eher im Hintergrund, aber wirkungsvoll. Gelegentlich überträgt sich die Melodiosität auf die Gitarren, die übrigens hier und da in trocken-kantig riffender Weise einen interessanten Kontrast zur eher voluminöseren bzw. hallreichen Abmischung bilden. Durchweg up-tempo, positive vibrations reichlich. |
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All Diese Gewalt - Alles Ist Nur Übergang |
CD und LP
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23er. Max Riegers (Die Nerven-Sänger/Gitarrist) nun schon 5. Solo-Platte. Die sich auch hier von der Band deutlich unterscheidet. Wenn man so will, Songwriter-Musik, die sich des öfteren abseits gewohnter Pfade bewegt, gern ziemlich massive und wirkungsvolle Kontraste einbaut, mehrfach jedoch ausgesprochen organisch wirkt, atmosphärisch sehr stark agiert (auf unterschiedliche Weise). Und stilistisch manchmal nur schwer greifbar ist. Markant und ziemlich kongenial klingt der Gesang (ganz "selbstverständlich" und ohne jedes falsche Sentiment), recht häufig dominieren (intelligent und teils sehr reizvoll eingesetzte) Synthies, gelegentlich fehlt die Gitarre sogar gänzlich (anderswo übernimmt sie die führende Rolle), auffällig selten sind Drums zu hören, was im Allgemeinen nicht zur Vernachlässigung der Rhythmik führt - gleichwohl gibt es Songs, die rhythmus- und melodielos großteils nur an- und abschwellende Wälle erzeugen (ich hatte kurz die Assoziation "frühe Cluster von heute") oder über weite Strecken schwerelos daherkommen (mit orchestralem Aufbäumen mittendrin, eine fabelhafte Nummer), oder vor allem ein (ungemein apartes, melancholisches) Musikgemälde erzeugen. Ansonsten: Rhythmisch tanzende Musik mit zarten Zwischenspielen, zeitweise auf seltsame Art spannungsgeladen, später dezent rockig. Reduzierter relativ gewagter fast avantgardistischer "Pop" (Pop?), phasenweise geradezu spooky. Unterkühlt leise, feingeistig und mit gewissem "Einsamkeits-Flair" . Leichtfüßfig und entspannter als meist, schließlich dezent hypnotisch verdichtet und immer intensiver. Zwischen sparsam mit repetitivem Gitarrenmotiv und weich umhüllendem bis massivem bis eindringlichem Tasten(wohl)klang inklusive etwas sinistrem Ausdruck. Der längste Song hat es in sich: Für Momente eine elektronische Kraut-Tendenz/Parallelen zu tastenbetontem New Wave (-Pop)/noisige Einwürfe/aggressive Post Punk-Elemente/lyrische Zartheit/pastorale Spuren - alles in einem, ein erstaunliches und faszinierendes Stück! Schließich eine sanfte leise einfühlsame Indie Pop-Ballade mit phasenweise toller schleifender Gitarre. Zwischendurch integriert er übrigens gesamplete Parts aus Klassik-LPs, Chöre und Orchester, als solche partiell kaum wahrnehmbar. Wie seine Band: Etwas besonderes. | |
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Amos Lee - Honeysuckle Switches |
CD und LP
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23er des Singer-Songwriters aus Philadelphia, der nach seinem Chet Baker-Tribute ein weiteres Mal auf das Attribut "Songwriter" verzichtet, indem er sich diesmal Songs aus der Karriere von Lucinda Williams (sein persönliches Vorbild) widmet, sie durchaus auch schon mal umdeutet/z.T. recht eigen interpretiert. Vor allem in Form von vielen vielen Balladen - bluesig-soulig mit Herzblut und enorm ausdrucksstark (gesanglich wie instrumental, erst sparsam, dann süffig); stark Retro-orientierter R'n'B, immens einfühlsam, aber (zumindest bei einem Track) viel sparsamer als damals; allgemeine Americana-Tendenz, sanft und ganz langsam und ans Herz gehend; eine erst zarte, dann (mit superben Gitarrenlicks versehene ) kraftvollere Mischung aus Blues, Folk und mehr; sowie ganz nackter sehr berührender Folk-Country. Die wenigen nicht balladesken Stücke kommen gern multipel rootsig (ein Hauch Gospel, Elemente aus u.a. Folk, R'n'B, Country) in toller loser fast geheimnisvoller Atmosphäre mit im späteren Verlauf kurzen wundervollen Gitarrensalven, in einem anderen Fall eher in entspannter Weise und höchst melodiös. Oder sachter fließender becircender Roots-Pop, angenehm reduziert. Insgesamt klingt er dabei weniger rauh als Lucinda. Und bei einigen Stücken verzichtet er auf die Rhythm Section (die auch sonst zurückgenommen agiert). Klasse Vocals durchweg! Eine eindeutige Empfehlung. | |
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Christian Kjellvander - Hold Your Love Still |
CD und LP
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23er. Ich habe ihn seit recht vielen Jahren nicht mehr gehört (u.a., weil Kollege Christoph ihn immer besprochen hat), kenne nur ein paar ältere Platten von ihm - damals fand ich's gut, war aber nicht sonderlich begeistert. Jetzt klingt er merklich anders. Allerdings, wie ich bei einem "Vergleichshören" der letzten Platten feststellen konnte, nicht sonderlich weit weg vom Vorgänger (von 2020), vor allem nicht von "Doom Country" (mit Tonbruket) aus dem gleichen Jahr. Okay, es gibt hier etwas weniger dazwischengeschossenes Störfeuer als bei denen (doch mehr als bei den Alben davor). Und auf jeden Fall weniger Roots-Elemente (z.B. Country) als beim Frühwerk, bzw. "versteckter" . Im Grunde wirkt seine Musik nunmehr in gewissem Sinne konsequenter, und (noch) wirkungsvoller. Eine oft wehmütige/melancholische Aura ist geblieben, aber auf eine etwas ungewöhnliche/spezifische/eigene, teilweise ansatzweise irgendwie "getriebene" Art. Und die jeweiligen Stimmungen finde ich immer wieder absolut faszinierend! Was früher nicht der Fall war. Akustische Gitarren (elektrische nur zur Hälfte, evt. weitere Saiteninstrumente), Streicher (bzw. Cello), Piano (plus weitere Tasten) dominieren den Sound (ab und zu ergänzen Backing Vocals oder ein kleiner Chor), ein Teil der Begleitung ist ziemlich weit nach hinten gemischt (nicht die Gitarren), der typische Bariton-Gesang trägt alles, Stil-Zuschreibungen fallen unbestimmt/verschwommen aus, das Gesamtbild ist ein dunkles (bis gar düsteres), einige Arrangements empfinde ich als schlicht großartig. Sporadisch blitzen sehr entfernte Erinnerungen an Chris Isaak (in freilich weitaus dunkler) oder Lee Hazlewood auf, etwas deutlicher an aktuelleren Nick Cave oder Scott Walker (quasi in der Übergangsphase in den späteren 70ern zu seinem abgefahrenen späteren Werk, noch ohne die ausgeprägte experimentelle Seite), vielleicht ein Hauch Cohen. (Halb-) Balladen bilden den Großteil der Musik, mal ein bisschen schwebend, mal mehrfach an- und abschwellend, mal eine Prise Drama, ein paar Mal harmonisch recht gewagt (einmal schon dezent noisig), phasenweise zart, sehr schleppend, schwer und geradlinig, kurz beinahe bedrohlich. Rockelemente werden gelegentlich/kurzzeitig und sparsam einbezogen, in einem Fall stärker (samt angezogenem Tempo). Die meisten Tracks haben Zeit, die Atmosphäre zu entwickeln, laufen 5-9 Minuten. Sehr besonders, klare Empfehlung! | |
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Beirut- Hadsel |
CD und LP
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23er. Nach längerer Pause ist Zach Condon zurück, diesmal machte er alles im Alleingang, spielen, singen, aufnehmen...und schleppen, nämlich das Aufnahme-Equipment in eine ganz weit nördlich in Norwegen gelegene ländliche Kirche, deren spezielle Orgel er benutzen durfte (eigentlich war er in diesem Landstrich nur, um in Ruhe zur Besinnung zu kommen). Diese Kirchenorgel ist denn auch in vielen Stücken (mit) soundbestimmend (ein Novum für ihn soweit ich weiß), zusammen mit seiner Trompete (teils multipliziert), seiner in sich ruhenden phasenweise wunderbaren klassisch schönen Stimme (immer wieder vorzüglich mehrstimmig arrangiert, mehrfach als Backing Chor - klasse!), differenzierter gelegentlich fast filigraner Percussion (wahlweise eine simple Rhythm Box), auf die er ab und zu verzichtet, sowie partiell analogem Synthie, erstaunlich oft Ukulele, manchmal Waldhorn (statt oder zusätzlich zur Trompete). Heraus kommen ein ums andere Mal sehr spezielle und wirklich beeindruckende Klanglandschaften von hohem Reiz, die ich in dieser Form und Gesamtheit noch nie von ihm gehört habe (Teile davon schon), ich weiß auch nicht, ob ich die Musik noch als "Pop" irgendeiner Art bezeichnen soll - "Indie Pop" passt jedenfalls keinesfalls, Folk- oder eine ziemlich ungewöhnliche Art von Ethno Pop bei ein paar Stücken wenigstens ansatzweise. Die Orgel agiert variabel, von relativ rauen kraftvollen fast riffenden Akkorden bis zu vielen langanhaltenden Tönen/Klängen, wobei die häufig getragene Form (wie auch selbige vom Gesang und teils den Bläsern) mehrfach im klaren Kontrast zur Rhythmik steht. Der Charakter vieler Songs bewegt sich irgendwo zwischen erhaben, erhebend und ansatzweise feierlich, anderswo entwickeln sich ein entspannter weicher Fluß, hypnotische Rhythmisierungen (die auch mal etwas Tribal-artig ausfallen oder leicht polyrhythmisch, zweimal inklusive einem leichten Latin-Touch), gar stoische bis dezent halluzinogene Sounds, zwischendurch sporadisch tauchen agile hüpfende Passagen oder zunehmender Elektronikeinsatz auf. Mittendrin ein pures getragenes irgendwie majestätisches Orgel-Stück. Ach ja: Ab und zu erinnert mich seine Stimme (keinesfalls die Musik) an Rufus Wainwright. Absolut zu empfehlen! | |
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Black Pumas - Chronicles Of A Diamond |
CD und LP
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23er und zweite LP der musikalischen wie verkaufstechnischen Überflieger aus Austin um Singer-Songwriter extraordinär Eric Burton (schon seine Stimme ist besonders, gern kurz hochsteigend oder gleich im Falsett, und zwar für Momente teils auch irgendwie aggressiver als bei vergleichbarer Musik üblich, ansonsten zwischen rau und einfühlsam/gefülvoll pendelnd). Die Arrangement-Ideen strotzen vor ungewöhnlichen bis überraschenden Ideen (und atmen so eine Prise Freigeist, sind partiell/nur phasenweise ganz schön süffig/opulent), ihre Art von Soul (und Funk) mag gern in alten Zeiten wurzeln (vor allem den frühen 70ern), beinhaltet aber auch (gemäßigt) "modernere" Elemente bzw. gewisse Wagnisse, manchmal unter Einbeziehung von Hip Hop-Einfluss (Rhythmik) oder Psychedelia (zwei, drei Mal, teils nur kurz), sogar Jazz (unterschwellig eher, selten, und mit geringem Anteil, in Form von Piano-Tupfern z.B.) in einem Fall gesanglich (hmm, sowas wie das Soul-Äquivalent von Talking Blues?). Richtig respektive komplett retro wirkt jedenfalls kaum etwas, immer wieder werden tradierte Spielweisen/Sounds aufgebrochen/durchbrochen, mal minimal, mal stärker. Heraus kommt ein definitiv eigenes Ding, freilich fast immer von den alten Heroen inspiriert. Das atmet dann mehrfach den Geist von Curtis Mayfield (mal als eine Psychedelic Soul-Ballade, mal als tanzender 70s-Funk inklusive kurzer schroffer Querschüsse, mal vermischt mit Marvin Gaye-Anleihen in allerdings jeweils deutlich modifiziert und versehen mit Widerhaken sowie der erwähnten Hip-Hop-artigen Rhythmik), geht in Richtung leicht rockender R'n'B mit kräftigem Analog-Synthie (der Song musste freilich nicht sein) oder einem Soul-Funk-Mix mit schroffer Rock-Gitarre und modernisiertem Rhythmus und Synth-Solo (sehr agil!), klingt besonders brillant und z.T. kontrastierend arrangiert (punktierend, nackt bis voluminös, mit geilen Fuzz-Einlagen bei ansonsten akustischem Gitarreneinsatz, klasse Backing Vocals und Groove, treibend). Weitere Balladen überraschen am Ende mit Gospel-Elementen, pendeln zwischen filigran und süffig mitsamt Keyboard-Schleiern und Psyche-Gitarren, verweigern sich klarer stilistischer Zuschreibungen (in bestechender oft supersanfter Atmosphäre, dominiert von akustischer Gitarre jedoch unterbrochen von einer superben E-Guitar-Einlage, die ein wenig an die Beatles denken lässt). Erst das abschließende "Rock And Roll" ist eben das nicht und enttäuscht leicht (der zweite Ausfall, okay). Koryphäe Shawn Everett mixte (fabelhaft), verwendet werden auch Orgel, Mellotron, Streicher, E-Piano, "normale" Keyboards, ein kleiner Chor, (wenig) Bläser. Klare Empfehlung! | |
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Kraan - Zoup |
CD und LP (ab 19.01.2024)
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23er. Die Kernbesetzung besteht wie seit über 50 Jahren aus Hattler, Fride und Wolbrandt, bei der CD (die 3 Bonustracks aufweist) kommen bei je einem Stück Johannes Papperts Saxofon dazu (der ab 1971 für einige Jahre dabei war) sowie Ingo Bischof (seit 1975 immer wieder ein- und ausgestiegen) - das Stück muss also schon einige Jahre alt sein, er ist ja 2019 verstorben. Keyboarder Martin Kasper ist ziemlich regelmäßig (wenn auch nicht immer, bzw. teils nur punktuell) dabei. Ich habe keinen Vergleichsmaßstab, wie dieses neue Werk im Vergleich zu ihren Platten seit den 80ern ausfällt, weil ich den Weg der Gruppe nach den 70s nicht mehr verfolgt habe. Also, ganz wertfrei: Eine oft ausgesprochen melodiöse Gitarre, wechselnde Kombinationen aus Rock, Funk und Fusion, Grooves mal mit Tempo, Rasanz und/oder Drive, mal relativ gebremst/mid-tempo, langsame Tempi gibt's nicht, gelegentlich recht locker/etwas tanzend, ab und zu leicht nervös wirkend, was jedoch u.a. durch den Gesang wieder ausgeglichen wird - Letzteren setzen sie zweimal ein, wobei auffällt, dass die Keyboards dort kaum eine Rolle spielen, Fusion- und Funk-Einflüsse ebenfalls nicht. Die Tasten machen sich aber auch in anderen Tracks eher rar, heißt: Sie fehlen oder werden nur für (z.B. typische 70er-Synth-) Soli auffällig. Klassische 70s-Musik, immer noch, keine Überraschungen, exzellentes Spielvermögen. | |
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Rolling Stones - Hackney Diamonds |
CD und LP
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23er. Okay, 18 Jahre ohne ein neues Album mit den eigenen Songs sind eine sehr lange Zeit, "historisch" ist hier trotzdem kaum etwas. Aber es endet ein bisschen so...Es schließt sich der Kreis gewissermaßen. Ein Riff-Rocker bekannter Machart startet das Werk, mit (gutem) Pop-artigen Refrain - Einschub: Letzteres wiederholt sich mehrfach, doch dieser Pop-Input tut der Platte manchmal/zumindest partiell ganz gut. Gleich der folgende Song steigert das noch, fast die gesamte Melodieführung enthält Pop-Elemente, über groovig-rockendem Backing. Die erste (von 4) Balladen folgt, ich kann ihr nichts abgewinnen. Das ändert sich später, wenn z.B. im teilakustischen rootsigen Dreaming Skies (mit feiner Slide und Harmonica) die frühen 70er der Band angenehm ein bisschen in Erinnerung gerufen werden, mehr noch im mit Abstand längsten und songwriterisch besten Stück, Sweet Sounds Of Heaven; das beinhaltet Gospel- Soul- und Blues-Elemente, steigert sich zu enormer Opulenz (mitsamt einer gesanglich auffälligen Lady Gaga, die hier neben Stevie Wonder an den Tasten gastiert), bevor es irgendwann stark reduziert weitergeht - exquisit! (Ballade Nr. 4 gehört für mich wieder zu den Schwachpunkten). Ein weiteres Highlight featuret Paul McCartney (der ein sehr kurzes aber schön rohes Solo bekommt), ein geradliniger schneller ziemlich vorzüglicher Rock'n'Roller; weitere straighte Rocker weisen wieder mehr Pop-Einfluss auf, diesmal teilweise nicht so gelungen. Im Gegensatz zu einem voll überzeugenden treibenden bluesigen/Roots Rock-Track mit effektiver Piano-Begleitung von Elton John und Gast Bill Wyman. Zum Ende der oben genannte sich schließende Kreis: Ein Cover des namensgebenden Muddy Waters-Songs, hier "Rolling Stone Blues" genannt. Nur Jagger und Richards, nur Gesang (übrigens durchweg ohne Makel) und E-Gitarre plus etwas Harmonica, absolut purer Blues zwischen den (elektrifizierten) 20ern und den 50s. Richtig richtig gut! Ein Fazit mag jede/r selbst ziehen. | |
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